„Ich glaube, ich würde es wieder tun“

Seit 25 Jahren führt Vera Paulick das Kurzwarengeschäft „Birke`s Nähkästchen“ gegenüber vom Rathaus Birkenwerder. Ihren Laden darf sie momentan nicht öffnen, doch die Änderungsschneiderei läuft weiter. Auf Bestellung näht sie auch Mundschutzmasken. Die Jubiläumsfeier mit ihren Kundinnen und Kunden möchte sie nachholen, sobald das wieder möglich ist.

 

Frau Paulick, im April 2020 jährt sich Ihre Ladeneröffnung zum 25. Mal – ein Grund zu feiern. Wie ist Ihnen momentan zumute?

Eigentlich hatte ich vor, diesen Tag mit meinen Kunden zusammen zu begehen – denn ohne sie geht es nicht. Nun ist das durch Corona ausgefallen. Aber wir holen es nach, wenn wieder die Möglichkeit besteht.

Sind Sie stolz auf die vergangenen 25 Jahre?

Natürlich. Sie wissen ja selbst, dass so manch einer es nicht schafft. Ich habe hier schon zwei andere Wollgeschäfte kommen und gehen sehen. Um so lange am Markt zu sein, braucht es Fingerspitzengefühl, Erfahrung und auch Unterstützung durch die Lieferanten. Ich glaube, ich würde es wieder tun – weil es einfach Spaß macht. Wenn man keine Lust hat oder den Kunden nicht in den Mittelpunkt rückt, hat man wahrscheinlich wenig Chancen. Ich habe viele nette Kunden, aber es kommt auch vor, dass einer seine schlechte Laune an mir auslässt. Das muss man bis zu einem bestimmten Grad ertragen. Aber die Mehrzahl ist froh, dass das Geschäft noch existiert.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie den Laden übernommen haben?

Ich komme aus dem Handel und wollte schon immer ein kleines Geschäft haben. Früher habe ich bei der Konsumgenossenschaft Oranienburg gearbeitet. Durch Zufall kam ich hier rein und wollte einen Reißverschluss kaufen. Ich hörte, dass meine Vorgängerin das Geschäft abgeben wollte. Da habe ich einfach gesagt: Ich tue es.

Woher stammt Ihre Leidenschaft für Handarbeiten?

Meine Mutter war Schneiderin. Ich bin damit großgeworden. Ich wollte es zwar nie wieder tun, aber jetzt biete ich die Dienstleistung an, dass ich Änderungen mache. Zu DDR-Zeiten hat wahrscheinlich jede junge Frau stricken gelernt. Ich habe während des Studiums oft in den Vorlesungen gesessen und gestrickt. Beim Zuhören ging es glatt von der Hand.

Wie ist die Situation während der Corona-Krise? Der Laden ist zugeschlossen, aber Sie haben trotzdem viel zu tun?

Das Geschäft an sich darf ich nicht offenhalten, aber die Dienstleistung darf ich weiterführen, sprich Reinigungsannahme und Schneiderei. Natürlich klopfen viele Leute an die Tür und möchten Gummiband haben. Es kommen auch viele Anfragen zur Anfertigung von Mundschutzmasken, weil käuflich gerade keine zu erwerben sind. Auf Bestellung fertige ich die jetzt.

Wie viele Masken haben Sie schon genäht?

Ungefähr 150. Und ich habe noch mindestens 60 Bestellungen. Es ist wirklich viel zu tun. In Zeiten, in denen man sonst keinen Umsatz macht, ist das natürlich eine Hilfe, um Betriebskosten und Warenrechnungen zu bezahlen. Die Leute können mich im Moment nur anrufen und sagen, was sie an Wolle kaufen wollen oder welchen Bedarf sie sonst haben – und ich bringe es ihnen nach Hause. Ansonsten können Sie mir nur an der Tür sagen, was Sie haben möchten.

Wie hat sich der Laden in den 25 Jahren entwickelt?

Als ich anfing, war mein Sortiment anders. Damals gab es zum Beispiel noch Gardinen. Jetzt verkaufe ich vor allem Kurzwaren und Wolle. In den Jahren sind auch weitere Wünsche hinzu gekommen: nach Strickkursen oder Hilfe bei bestimmten Näharbeiten. Über die Jahre passt man sich als Händlerin und Selbstständige den Bedürfnissen an.

Stricken Menschen heute mehr oder weniger als früher?

Die Klientel, die strickt, hat sich geändert. Früher waren es mehr die Älteren, die Traditionelles wie Pullover und Strickjacken gestrickt haben. Jetzt sind es auch Jüngere, die Accessoires herstellen.

Nach der langen Zeit kennen Sie sicher viele Kundinnen und Kunden gut?

Ja, ich biete hier nicht nur Fachberatung an. Es kommen viele, die ihre Sorgen loswerden wollen. Eigentlich bin ich auch eine soziale Station. Die ältere Dame, die niemanden zum Schwatzen hat, kommt hier rein – kauft mal ein Paar Strümpfe oder etwas anderes und sucht das Gespräch mit mir. Hier wird viel über Kommunalpolitik und andere gegenwärtige Themen gesprochen, die die Leute interessieren. Natürlich kommen die Kunden auch zu mir ins Geschäft, weil sie die Dinge anfassen können und weil sie Beratung bekommen. Gegenüber dem Online-Handel ist das ein Vorteil. Die Sachkenntnis, die ich mir über die Jahre im Stricken oder Häkeln angeeignet habe, gebe ich natürlich weiter. Es gibt auch viele Anfänger, die Hilfe brauchen.

Ende des Jahres werden Sie aufhören – wie wird es dann weitergehen?

Nach 25 Geschäftsjahren muss man mal ein bisschen kürzer treten. Ich stehe von 9 bis 18 Uhr im Laden – das kostet ganz schön viel Kraft. Seit zwei, drei Jahren suche ich schon nach einem Nachfolger. Ich würde gerne jemanden finden, weil meine Kunden sonst natürlich traurig wären. Die Handarbeit ist nach wie vor im Kommen. Ältere geben das an die Jüngeren weiter – sodass immer jemand kommt, der Bedarf hat. Goldene Löffel lassen sich damit allerdings nicht verdienen.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zeit danach aus?

Ich bin hier im Ort in verschiedenen Vereinen tätig. Momentan mache ich einen Spagat zwischen dem Geschäft und meiner ehrenamtlichen Tätigkeit, für die ich dann mehr Zeit haben werde. Ich bin beispielsweise beim Geschichtsstübchen aktiv. Die Recherche zur Geschichte des Ortes nimmt viel Zeit in Anspruch. Auch der Förderverein Kulturpark ist sehr aktiv, um das Wasserwerk auszubauen. Das sind Felder, auf denen ich mich betätigen kann.

Und was ist mit Handarbeiten? Oder brauchen Sie dann erst mal eine Pause?

(Lacht) Wenn Sie in meine Vorräte gucken würden, würden Sie sehen: Ich habe mindestens 20 Tüten mit unerledigten Strickprojekten, die werden dann irgendwann beendet. Ich habe vier Enkel und einen großen Garten: Es gibt viel zu tun. Wobei ich den Umgang mit den Kunden und die Gespräche über Aktuelles im Ort natürlich vermissen werde.

Wie möchten Sie Ihr Jubiläum begehen, wenn das wieder möglich ist?

Da lasse ich mir noch was einfallen. Wir sind sicher alle froh, wenn wir die Coronakrise durchgestanden haben. Hoffentlich schaffe ich das mit den Finanzen. Die Unterstützung, die man uns von Landesebene zugesagt hat – ich hoffe, die kommt. Damit werde ich die Zeit überbrücken können. Dann machen wir mal ’ne Sektsause.

Text: idr

Bildunterschrift: Vera Paulick -  25 Jahre Birke`s Nähkästchen