„Idee von Freiheit und Neuanfang“ – Abschluss der Mauerfall-Ausstellung mit persönlichen Erinnerungen der Birkenwerderaner

Die Mauerfall-Ausstellung „Als das Blatt sich wendete“ endete am Sonnabend, 30.11.2019, mit beeindruckenden Antworten auf die Fragen nach den persönlichen Erlebnissen in der Nacht des 9. November 1989, den damit verbundenen Wünschen und Hoffnungen und der Einschätzung der Zeitenwende 30 Jahre später.

 


Der Verein Nordbahngemeinden mit Courage hatte begleitend zur Ausstellung einen Fragebogen herausgegeben, in dem jeder – egal, ob aus Ost oder West – seine Erinnerungen an die Wendezeit und die heutige Einschätzung der Ereignisse schildern durfte. „Wir haben 20 Bögen zurückbekommen, das ist sehr schön“, sagt der Vorsitzende Torsten Lindner. Die meisten Berichte stammen von Menschen, die damals junge Leute waren, zwei Fragebögen sind auch von jungen Erwachsenen ausgefüllt worden, die damals Kinder waren. So schreibt ein siebenjähriger Junge: „Ich habe mit meinen Eltern gefeiert, weil sie mir erklärt haben, dass heute etwas 'Großes' passiert ist.“

Torsten Lindner und Alexander Löwe lasen abwechselnd die zu Papier gebrachten Gedanken vor.
Auszüge:

„Ich war mit meinen zwei kleinen Kindern in Greifswald bei meinen damaligen Schwiegereltern. Der Ausreiseantrag war genehmigt, alles gepackt und wir warteten auf den genannten Ausreisetermin.“

„Ich war 35 Jahre alt, meine Tochter war damals fünf. Am Abend des 9. November 1989 hatte ich Kinderdienst. Das, was ich da hörte und im Fernsehen sah, konnte ich erst einmal überhaupt nicht fassen. Mir liefen sofort viele Gedanken durch den Kopf. Bleibt das friedlich? Seit 1973 lebte ich in West-Berlin. [...]“

„Mein Ehemann darf endlich studieren, ohne sich als Reserveoffizier verpflichten zu müssen.“

„Idee von Freiheit, Neuanfang, keine Stasi-DDR mehr“

„Ängste, die gesamte Existenz zerbricht, was dann? […] Was wird aus den Menschen nebenan?“

„Der Rückblick bleibt ambivalent. Auf der einen Seite bleibt die friedliche Wiedervereinigung für mich ein Wunder. Meine Kinder konnten im Ausland studieren. Jeder kann reisen, mit einer weltoffenen Einstellung aufwachsen, worüber ich sehr dankbar bin. Die negative Seite ist für mich, dass ich den Kapitalismus unterschätzt habe und der Osten von diesem so überrollt wurde. Dass die Menschen im Osten den Konsum so brauchen und lieben und sich kaufen beziehungsweise verraten ließen, hätte ich in diesem Maß nicht erwartet. [...]“

Susanne Kohl, die das erneute Zeigen der Ausstellung von 2011 mit initiiert hatte, war positiv beeindruckt. „Mit so einer Resonanz hätte ich nicht gerechnet“, sagte sie über die vielen tiefgründigen, teils sehr politischen, Antworten. „Das ist eine hervorragende Dokumentation“, lobte auch Heiko Friese.Torsten Lindner versprach, die vielen bewegenden Antworten demnächst auf der Webseite seines Vereins zu veröffentlichen.

Text/Foto: ww

Bildunterschrift:  Alexander Löwe, Torsten Lindner und Georg Klein bei der Auswertung der Fragebögen zum Mauerfall.