Im Planspiel Politik der Gemeinde Birkenwerder üben Zwölftklässler der Regine-Hildebrandt-Gesamtschule das Ringen um Lösungen innerhalb konstruierter Parteien. Nicht jedem fiel seine Rolle leicht.
Alexander Becker lehnt das Autofahren aus Gründen des Umweltschutzes komplett ab, Monique Burggraf ist eine Youtuberin, die ihre Follower von ihren konservativen Werten überzeugen will und Renate Zink wünscht sich mehr Sicherheit für die Menschen in Birkenwerder, die Ansiedlung von Migranten macht ihr Bauchschmerzen.
All diese Charaktere gibt es zwar in Wirklichkeit nicht, doch sie repräsentieren echte Menschen mit ihren politischen Überzeugungen. Im Planspiel Politik der Gemeinde Birkenwerder schlüpfen Zwölftklässler der Regine-Hildebrandt-Gesamtschule in die Rollen erfundener Gemeindevertreter, entwickeln Ideen, diskutieren und fassen Beschlüsse.
Rathausmitarbeiterin Sophie Friese, die den echten Sitzungsdienst betreut, hat das Projekt vor sechs Jahren ins Lebens gerufen, um Jugendlichen politische Prozesse auf Kommunalebene näherzubringen. „Es macht jedes Mal sehr viel Freude, die Jugendlichen in dem Projekt zu begleiten“, erklärt Sophie Friese. Auch Bürgermeister Stephan Zimniok (parteilos) ist vom Erfolg des Planspiels überzeugt. „Zu verstehen, wie demokratische Prozesse funktionieren, ist ein wichtiger Teil der Bildungsarbeit“, erklärt er.
Und auch die Lehrer im Fach Politische Bildung sind dankbar für das Engagement in der Gemeindeverwaltung. Denn auch die Mitarbeiter der einzelnen Fachbereiche sind am Planspiel beteiligt. „Die Türen stehen den Schülerinnen und Schülern offen. Wenn sie eine Fachfrage haben, zum Beispiel zur Kalkulation von Kosten, dann können sie die Kolleginnen und Kollegen im Rathaus fragen“, erklärt Sophie Friese. Susanne Kohl (SPD), Gemeindevertreterin in Birkenwerder und Kreistagsabgeordnete in Oberhavel, stand den Schülern ebenfalls für Fragen zur Verfügung.
Für jede der drei Schülergruppen dauerte das Planspiel je zweieinhalb Tage. Am Ende wurde über alle Vorhaben in einer gespielten Gemeindevertretung abgestimmt. So konnte zum Beispiel der Vorschlag überzeugen, 20 000 Euro in den Friedhof zu investieren - für neue Pflanzen und Bänke. Auch die Beschlussvorlage „Essbares Birkenwerder“ fand eine Mehrheit. Nach Vorbild von Gemeinschaftsgärten sollen hier Einwohner aus Birkenwerder Obst und Gemüse anpflanzen und später auch ernten. Andere Vorschläge, wie die finanzielle Förderung von Alarmanlagen in Privathaushalten, konnten nicht überzeugen und wurden von der Gemeindevertretung abgelehnt.
Nicht jedem fiel es leicht, sich in die zugeordnete Rolle hinein zu versetzen. So sollte Tylor Gottschalk ausgerechnet Alexander Becker spielen, der das Autofahren ablehnt. „Das war für mich zu Anfang schon sehr schwer, da ich Autos total toll finde und auch schon oft mit dem Flugzeug in den Urlaub geflogen bin“, erzählt der Abiturient. Emil Kaden, der die gleiche Rolle in einer anderen Gruppe spielte, hatte weniger Startschwierigkeiten. „Alexander Becker fährt ein E-Auto. Das wäre auch für mich persönlich ein nachvollziehbarer Kompromiss“, sagt Emil Kaden.
Die Gemeindevertreter gehörten unterschiedlichen Fraktionen an, die ebenfalls frei erfunden waren, zum Beispiel „Soziales Forum Birkenwerder“. „Meine Rolle hat gut zu mir gepasst, ich hatte Glück“, erzählt Amy Scholta. Die 17-Jährige fand es spannend, sich ein Leben als Politikerin vorzustellen. Dass Kommunalpolitik ein Ehrenamt ist, hat sie nachdenklich gestimmt.
„Ich stelle es mir schwierig vor, mich neben einem normalen Beruf noch ausreichend auf die Politik zu konzentrieren“, sagt Amy Scholta. „Ich könnte mir gut vorstellen, später in die Politik zu gehen, dann aber hauptberuflich, also auf Bundesebene“, erklärt die 17-Jährige. Als Projektabschluss fand am Freitag eine Pressekonferenz statt, auf deren Basis dieser Artikel entstanden ist.
Text/Foto: ww
Bildunterschrift
20231013-Planspiel-1 bis 5: Schüler der Regine-Hildebrandt-Gesamtschule Birkenwerder nehmen am Planspiel Politik der Gemeindeverwaltung teil.