Die Separation – eine große Agrarreform in Birkenwerder

Unter Separation versteht man eine in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert großangelegte Flurbereinigung und Neuverteilung aller landwirtschaftlichen Flächen. Die überkommene alte Dreifelderwirtschaft, je ein Drittel Sommer- bzw. Wintergetreide, ein Drittel Brache, mit gewissen Änderungen durch Kartoffel- und Futterpflanzenanbau, war zu einem großen Hemmnis geworden. Bauern und Kossäten hatten zersplitterte Teilflächen zu bearbeiten, fehlende Wege machten die Begehung und Befahrung fremden Ackers notwendig, was zu vielen Problemen führte.

Im Brandenburgischen begann die Separation verhältnismäßig spät. Meist erfolgte zuerst die „Gemeinheitsteilung“, also die im Gemeineigentum eines Dorfes befindliche Flur, u. a. Weideflächen, die Waldmast, Schilf- und Rohrgewinnung, die Torfgewinnung und Harzung. Probleme wurden örtlich unterschiedlich gelöst.

In einer weiteren Aktion erfolgte die Zusammenlegung der bisher in Erbpacht von den Bauern und Kossäten individuell genutzten zersplitterten Äcker und Wiesen. Es mussten größere Parzellen und ein neues Wegesystem geschaffen werden.
In Birkenwerder wurde diese Agrarreform in umgekehrter Reihenfolge durchgeführt, sie gestaltete sich aus zwei Gründen nicht ganz einfach. Die geografische Lage der Gemeinde und ihrer Wirtschaftsflächen war durch Briesefließ und Havel kompliziert.

Die preußischen Landvermesser leisteten eine gute Arbeit. Das trifft auch auf die Beamten zu, die die Güte der Äcker und Wiesen, ihre Bonität, beurteilen und bei der Neuverteilung der Flächen zu berücksichtigen hatten. Trotzdem waren die Birkenwerderaner, wie nicht anders zu erwarten, nicht zufrieden.

In einem umfangreichen Aktenband aus dem evangl. Pfarrarchiv Birkenwerder „Acta betr. Separation der Äcker und Wiesen der Gemeinde und Pfarre zu Birkenwerder“ sind die Auseinandersetzungen  zur Separation im Zeitraum von etwa 1820 bis 1860 dargestellt. In der Sitzung vom 17.12.1824, nehmen fast alle Bauern und Kossäten teil. Die „Provokanten“, also die Herausforderer, Müllermeister Kupfer, Krüger Wienicke und Prediger Goldmann fordern wegen vermeintlicher Benachteiligung Korrekturen. Knapp einen Monat später wird nach erneuter stundenlanger Beratung, an der auch Müllermeister Kessel von der Untermühle, Schmied Ernst und fünf Kolonisten teilnehmen, ein elfseitiges Protokoll gefertigt. Interessant ist, dass sich Pfarrer Goldmann durch den Kreisschulzen Qualitz vertreten lässt.

Goldmann befindet sich nämlich in einem Gewissenskonflikt. Einerseits wird er ständig von der Kirchenleitung aufgefordert, keine Schmälerung des kirchlichen Grundbesitzes zuzulassen, andererseits will er es sich auch nicht mit den Gemeindemitgliedern verderben. Tatsächlich wurden einige Teilungs- und Bonitätsfragen geklärt, u. a. die Nutzung der „Holzung“ an der Straße nach Oranienburg. Dem Kreisschulzen wird die Sache trotzdem zunehmend unangenehm und drängt darauf, Goldmann zu informieren; das Protokoll der Sitzung wird daher dem Pfarrer übersandt.

Weitere konkrete Festlegungen zur Flurbereinigung erfolgen mit dem 125 Seiten umfassenden Dokument vom 16.11.1825. Es ist eine Gegenüberstellung der ehemaligen alten und der neuen Aufteilungsverhältnisse aller Äcker, Wiesen und Weiden bis ins Detail, z. B. den Hirtengarten.
Während der Vorbereitung und Durchführung der Separation treten ständig neue Differenzen auf, zwischen den Bauern und Kossäten, zwischen Pfarrer und Küster und der Gemeinde und der Schule in Hohen Neuendorf. Beteiligt an den Auseinandersetzungen sind die beiden Müller, der Schmied und der Krüger. Der schwierigste Part fällt Prediger Goldmann zu. Er kämpft um jede Quadratrute und Bonitätsprozente in anerkennungswerter Weise.

Mehrmals nimmt er an Beratungen nicht teil und entschuldigt sein Fernbleiben wegen „schlechter Witterung“ und seiner „Kränklichkeit“. Die Ein- bzw. Vorladungen des Amtes Oranienburg an ihn verschärfen sich zunehmend und nehmen die Form von Befehlen an. „Man wolle sich mit ihm baldgefälligst mit Bestimmtheit … aussprechen“, er wird „kommissarisch ergebenst aufgefordert“ und man erwartet seine „umgesäumte Antwort“. Ihm wird angedroht, er müsse die „Kosten für erneute Anberaumung“ von Beratungen übernehmen, er solle die „Separation nicht länger verzögern“.
Natürlich wird die Separation doch erfolgreich beendet, ab 1.10.1834 ist die Flurbereinigung hinsichtlich der Ackerflächen und ab 1838 des Gemeineigentums abgeschlossen.

Bereits am 17.6.1834 haben die Bauern die neu vermessenen Äcker verlost. Aus den ehemaligen „Freybauern“ wurden freie Grundbesitzer. Allerdings mussten sie die Einrichtung ihrer Höfe, die sogen. „Hofwehr“, die ehemals vom Amt zur Verfügung gestellt worden war, also Ochsen, Kühe und Arbeitsgeräte, „ablösen“. Auch von Diensten, die sie bisher leisten mussten, z. B. im Forst, mussten sie sich freikaufen. Nach Zahlung von 220 Talern und einer laufenden Grundsteuer konnten sie nunmehr über ihr vollständiges Eigentum „frei disponieren“, d. h. auch verkaufen. Es dauerte nicht lange, und viele Landbesitzer nahmen die neuen Rechte in Anspruch und verkauften ihren Acker, unter dem guter Ton entdeckt worden war, an die Besitzer der aufstrebenden Ziegeleien.

Kurioserweise beklagte sich Jahre später Pfarrer Reinhard Metzig, im Amt von 1851 bis 1869, dass die der Kirche verbliebene ehemalige Zinswiese Nr. 58 um etwa einen Morgen zu klein vermessen worden war. Diese Wiese lag an der Havel im Gebiet der heutigen Havelbaude in Hohen Neuendorf. Metzig berief sich tatsächlich auf die vor fast 125 Jahren erstellte Zinswiesenkarte von 1732. Mit Schreiben des „Oekonomie-Commissarius“ Vogelsang vom 17.9.1858 wurde dem Prediger Metzig noch einmal die Richtigkeit der neuen Vermessung bestätigt.

Interessant ist eine Eintragung im Lagerbuch des Kirchenarchivs (von 1893), dass ein Teil dieser Wiese zum Preis von 1269,60 Mark an die Staatsbauverwaltung zur Herstellung des Großschifffahrtsweges Berlin-Stettin verkauft wurde.

Autor: Siegfried Herfert