Am heißen Wasser verdiente der Wirt nichts

Die bedrückende Wirtschaftslage am Ende des Ersten Weltkriegs 1918 setzte sich nach dem Krieg fort und erreichte in der bis 1923 anhaltenden Inflation einen Höhepunkt.

1920 klagte der Briesetal Bote über steigende Preise für Lebensmittel, Kohlen und den Gasbezug und über höhere Gebühren für Telefon und Postsendungen. Die steigende Geldentwertung in immer kürzeren Abständen zeigt z. B. die dem „Niederbarnimer Kreisblatt“ entnommene Verordnung über Gebäckpreise, hier für die 50-Gramm-Schrippe:

29. Juli 1923 320 M.

12. August 1923 950 M.

26. August 1923 7.500 M.

9. Sept. 1923 120.000 M.

22. Sept. 1923 180.000 M.

Die Post teilte am 20. Oktober 1923 mit, dass sie sich mit Beträgen unter 1.000 M. nicht mehr befasst. Bei Engpassmaterialien übernahm in Birkenwerder die Gemeindeverwaltung notgedrungen die Verteilerfunktion. Im Juli 1920 war dem Briesetal – Boten folgende Information zu entnehmen: „Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene können Feinseife und Kernseife gegen Bezahlung von 3,80 M. pro Stück im hiesigen Rathaus gegen Vorzeigung der Rentenpapiere in Empfang nehmen“. Diese Verfahrensweise wurde auch bei Bekleidungstextilien angewendet.

Als Einzelschicksal ist das des Birkenwerderaner Witwer Hans R. zu nennen, der im Juli 1923 seine Tochter Ursula aus dem Waisenhaus in Oranienburg zurückholen musste. Das Kind hatte erst im Oktober 1922 in der Einrichtung, der ehemaligen Stiftung der Kurfürstin Louise Henriette von Oranien 1665, Aufnahme gefunden. Der Vater erhielt für seine Tochter 45.010 Mark Kinderzulage, sollte nun aber 110.000 Mark Pflegegeld zahlen.

Nach wie vor verzeichnete Birkenwerder einen großen Ansturm von Gästen und Ausflüglern aus Berlin. Durch Abnahme ihrer Fahrkarten an den Bahnhofssperren konnten genaue Besucherzahlen ermittelt werden. Für Pfingsten 1921 ergab sich folgendes Bild (Auszug):

1. Feiertag 2. Feiertag

Birkenwerder 12.659 13.141

H. Neuendorf 3.435 3.446

Borgsdorf 2.218 2.224

Lehnitz 5.185 6.308

An beiden Feiertagen hatten sich vom Stettiner Bahnhof aus ca. 300.000 Personen zum Ausflug in den Norden auf den Weg gemacht.

Trotzdem kamen einige Gasthäuser, Restaurants und Cafés in Schwierigkeiten, die Umsätze waren oft unzureichend. Meist machten wohl die Gäste von dem Angebot „Hier können Familien Kaffee kochen“ Gebrauch, am Ausschank von heißem Wasser verdiente der Wirt nicht viel! Einige Etablissements mussten aufgeben. 1921 fand nach einem Zeitraum der vergangenen 2 ½ Jahren zum 6. Mal ein Besitzerwechsel im „Waldschlößchen“ statt.

Autor: Siegfried Herfert