Eine junge Eiche mit eingeschnittenem Kreuz

Beistehende Abbildung zeigt den Kopf der „Karte von denen unterm Königl. Amte Oranienburg [Oranienburg durchgestrichen, überschrieben mit Bötzow] gehörige Zinß-Wiesen der beyden Dörffer Hohen Neuendorff und Birkenwerder, nach Anzeige des Registers sub Lit. K. sind auf S. hochlöbl.- Kriegs und Domainen Cammer Verordnung vermeßen, auch Carten und Registere in du Cplo verfertiget. Ao. 1732 von L. A. Schützen“.

Das Original der kartographisch hervorragend ausgeführten und künstlerisch gestalteten kolorierten Handzeichnung, 1:5000, Außenmaße 91 x 61 cm, befindet sich im Geheimen Staatsarchiv in Berlin – Dahlem.

Wie bereits der Titel aussagt, ist die Karte nicht eine Orientierungs- bzw. Wanderkarte im heutigen Sinne. Wege und Straßen sind nur angedeutet – sie ist das dokumentierte Ergebnis der Vermessung und Numerierung der insgesamt 245 Wiesenflächen und Zuordnung an die Nutzer im Zusammenhang mit der Erstellung des Pachtzinsregisters. Die Karte allein ist wenig aussagekräftig, natürlich will man wissen, wem die Wiesenstreifen gehörten und was die Pächter zu zahlen hatten. Leider war im Geheimen Staatsarchiv in Berlin das Register nicht auffindbar, tatsächlich liegt es im Brandenburgischen Hauptarchiv in Potsdam! Nach großen Bemühungen der dortigen Mitarbeiter steht es nun als Kopie zur Verfügung.

Das „Vermessungsregister Ao. 1732 von A. Schütze, Revidiert Anno 1738“ besteht aus einem 30 seitigen Dokument. Bereits in der Einleitung wird ausgesagt, dass die Wiesen wegen ihres „Morigten Grundt schlecht, und … auch alle nur 1 mahl gemähet“ werden. Die folgenden Namenslisten enthalten die jeweilige Wiesennummer, die Lage der Wiese, ihre Einordnung nach „gut“ und „schlecht“, ihre Größe und auf getrennten Listen die zu zahlenden Beträge. Überschlagmäßig sind etwa 85% der Wiesenflächen als „schlecht“ eingestuft.

Bewunderungswürdig ist, mit welcher Genauigkeit die topographische Aufnahme, Vermessung und Aufzeichnung des schwierigen Geländes vorgenommen wurde. Diese Verfahrensweise war deshalb notwendig, weil die damals unregulierten Fluss- und Fließverläufe stark „mäanderten“, d. h. sich in Bögen schlängelten, bei Hochwasser wurden große Flächen überflutet.

Die Gefahr der Überflutung bei den nicht am Wasser liegenden Ackerflächen bestand nicht. Es ist aber möglich, dass auch eine Kartierung der Äcker vorgesehen war. In den an die Wiesen sich anschließenden Ackerflächen sind parallel verlaufende Linien erkennbar.

Der abgebildete Kartenausschnitt zeigt das Gebiet der Mündung des Briesefließes in die Havel. Eingezeichnet sind neben den bezifferten Wiesenflächen u. a. auch die Untermühle als „Schneidemühle“, der „Burgwall“ und der „Weinberg“. Auf diese geographischen Besonderheiten ist ggf. später einzugehen.

Die Zinswiesenkarte von 1732 war für die große Anzahl der Nutzer wichtig. Streitigkeiten wurden vermieden, auch zwischen den Nutzern aus Birkenwerder und Hohen Neuendorf. Für den damaligen Landwirtschaftbetrieb garantierte eine ausreichende Futter- und Heugewinnung einen guten Viehbestand. Dabei dürfte es nicht einfach gewesen sein, die besonders schmalen Streifen zu bearbeiten. Die Wiese Nr. 96 gehört dem Bauern Andres Bergemann aus Hohen Neuendorf. Sie liegt zwischen „Vernick und Michael Brandten“, das sind die Nachbarn. Bei Verwendung der in der Karte angegebene „Rheinische Rute“ als Längeneinheit ist die Wiese etwa 200 m lang und etwa 13 m breit, die Wiesenfläche beträgt also eine knappen Morgen (ein Morgen = 2.553 m² = 180 Quadratruten).

Der Heuertrag von dieser Wiese wäre für Bauer Bergemann zu gering gewesen. Tatsächlich hatte er weitere 13 Teilflächen, insgesamt standen ihm 17 Morgen 14 Quadratruten zur Verfügung und hatte dafür zwei Taler 20 Groschen zu entrichten. In der gleichen Größenordnung hatten auch die anderen Bauern aus Birkenwerder und Hohen Neuendorf Wiesenflächen unter der Sense, zwei Bauern bearbeiteten 33 bzw. 34 Morgen. Wesentlich weniger Wiesenland stand den Kossäten zur Verfügung.

Die Pfarrwiese liegt „an der Havel nach der königl. Nieder Heyde hinwarts …“ und hat die Nummer 58. Sie ist pachtfrei und mit „7 Morgen 101 Quadratruten“ vermessen. Diese Angabe aus der Schütz’schen Karte von 1732 wird ein Jahrhundert später anlässlich einer Beschwerde des Pfarrers Metzig, in Birkenwerder im Amt von 1851 bis 1869, eine Rolle spielen.

Übrigens ist eine großformatige Kopie der Zinswiesenkarte von 1732 als Wandgemälde im oberen Flur des Rathauses von Birkenwerder zu besichtigen.

Wie Max Kühnlein in seinen „Annalen zur Geschichte von Hohen Neuendorf i. M. und den umliegenden Ortschaften …“ 1903 berichtet, liegen die Untertanen zu Birkenwerder mit den Einwohnern zu Hohen Neuendorf wenig später wieder im Streit, diesmal geht es um die Dorfgrenze selbst. Unter Leitung des Ökonomiebeamten und Bauinspektors Fleß vom Justizamt Bötzow finden am 2. Juni 1775 die Begehung des Geländes und die neue „Absteckung“ der Grenze statt. Von beiden Gemeinden nehmen jeweils der Schulze, die Schöffen und neun (Birkenwerder) bzw. sieben (Hohen Neuendorf) Einwohner teil. Trotz der nach heutiger Sicht eigenartigen Markierungen – kleine aufgeworfene Hügel, eine „junge Eiche mit eingeschnittenem Kreuz“, eine „mittelmäßige Fichte, unter dreien daselbst auf einem Feld stehend“ – stimmen alle Beteiligten der Grenzregulierung zu und unterschreiben das dazu abgefasste Dokument.

Autor: Siegfried Herfert