Streit um das Schulzenamt in Birkenwerder

Wie bereits berichtet, wurde in Birkenwerder 1683 Jürgen Iden auf den Hof des weggejagten Jürgen Schröder gesetzt und nach den Akten im selben Jahr als erster Schulze in Birkenwerder vereidigt. Der Schulze hatte für Ordnung und Recht im Dorfe zu sorgen, die Pachtleistungen an das Amt zu sichern, Befehle und Verordnungen des Amtes durchzusetzen, Berichte abzufassen und gemeinsam mit dem Schöppen Streitigkeiten zu schlichten.

Erwähnenswert sind die Veränderungen in der Schreibweise seines Namens. In einer der ersten Eintragungen im ersten Kirchenbuch „zu Berckenwerder und Neuendorff“ 1682-1744, - eine besondere Kostbarkeit im hiesigen Kirchenarchiv – ist über die Geburt seiner Tochter Maria am 5.8.1683 „Gürgen Jen“ notiert. In 16 weiteren Kirchenbucheinträgen, der Schulze wird als Vater seiner Kinder bzw. er oder seine Kinder als Paten in anderen Familien genannt, wechselt die Schreibweise des Vor- und Familiennamens. Ab 1707 wird aus „Jen“ “Iden“. Jürgen Iden stirbt am 22.8.1721, der Eintrag im Sterberegister lautet:

„Görgen Iden, gewes. Schultze, Freyb. und Kirchen-Vorsteher, ist gestorben d. 25. Aug. und beerdigt d. 28. Aetat (Alter) 67 Jahre und ca. 4 Mon. Des Ehestandes 43 halb Jahr ist geworden 7 Kinder Vater, und 6 noch lebender Kind. Groß Vat.

Orat fun. hab.“ (Oratio funebris habita – eine Grabrede wurde gehalten).

Sonst war ein solcher umfangreicher Sterbeeintrag nicht üblich, er ist der gehobenen Stellung des Verstorbenen als Schulze und Kirchenvorsteher zu verdanken. Er hatte das Schulzenamt immerhin über 30 Jahre inne.

Beschwerden gegen ihn blieben natürlich nicht aus, z.B. die des Küsters wegen ausgebliebener Entlohnung, gerichtet an den Kurfürsten. Aber auch er selbst musste um eine angemessene Entschädigung für seinen Schulzendienst kämpfen.

Leider hat ihn die erreichte Macht dazu verleitet, bereits zu Lebzeiten die Grundlagen für einen handfesten Streit zu legen. Er hatte im Amt Oranienburg durchgesetzt, daß nach seinem Tode seinem dritten Sohn Jürgen das Schulzenamt übertragen werde. 1719 hatte er sogar an den König eine entsprechende Bitte gerichtet. Damit überging er seinen bereits 41 jährigen Sohn Christian, dem er auch nicht den Hof überlassen wollte. Sicherlich hatte er auch die Absicht zu verhindern, daß der Bevorzugte, 22 jährig, als Soldat geworben wurde, zumal bereits 2 seiner Söhne den bunten Rock des „Soldatenkönigs“ trugen.

Einem Aktenband aus dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv ist zu entnehmen, daß die Dorfbewohner sich von ihrem ehemaligen Schulzen überrumpelt fühlen, sie revoltieren und schreiben einen langen Brief an die Amtskammer in Berlin. Ihr Schulte Jürgen Iden sei, „…vor wenigen Tagen durch den Tod abgegangen… …aus eigener Kraft solches Amt gleichsam als von Lohn und erblich wäre, seinem Hofe wollen eigenthümlich beylegen, da doch selbiges ein Zeit Schulzen Amt ist, und alljährlich von einem Hoffe zum anderen hätte routiliren [umlaufen, wechseln] sollen.“ Den Beschwerdeführern muß man allerdings vorwerfen, daß sie in der Jahrzehnte andauernden Schulzentätigkeit Idens wahrscheinlich zufrieden waren, nicht regelmäßig das Amt übernehmen zu müssen! Nebenbei: Schreiben konnten sie alle nicht! Weiter wird ausgeführt, der Schulze habe seinen jüngeren Sohn von der „Starken recruitirung“ (d.h. der Soldatenwerbung) schützen wollen und den 24 jährigen Jürgen in betrügerischer Absicht als Schulze von amtswegen bestätigen lassen. Es bestehe „gantz keine Hoffnung noch Zuversicht, daß er dem Amte löblich werde vorstehen können.

Sintemahlen keiner gegen ihn Liebe, noch vor ihm Respekt hat, da keine sonderbahre Aufführung und Sittsamkeit ihm beywohnet. Hingegen aber ein Sohn vorhanden, der der erstgeborene und älteste ist, Nahmen Christian Iden, als welcher nicht nur bishero ein tugendhaftes und ehrbahres Leben geführet, sondern auch bereits ein Mensch an 41 Jahre alt, und seinen Eltern in allem Gehorsam und Liebe sowohl geehret, als (…) Haußhaltung mit aller Treu und allem Fleiß vorgestanden.“ Sie bitten, ihn in aller „Unterthänigkeit und Demuth“ als Schulze einzusetzen. Am 30.8.1721 wird das Schreiben von „Sämtl. Bauern und Coßäten zu Birkenwerder“ unterschrieben.

Mit gleichem Datum schreibt Christian Iden an das Amt:

„So wollen meine übrigen Brüder, insbesondere aber der 3., mich nicht zum Erben in das Väterl. Gehöfte und Gut, wie auch zum Nachfolger des Schulzen Amts gelangen lassen“. Da er auf dem Hof des Vaters „Mühe und Arbeit genug ausgestanden“, versteht er seine Zurücksetzung nicht. Er bittet, ihn wieder als Erben und als Schulzen einzusetzen.

Natürlich erfährt der von seinem Vater bevorzugte Jürgen von den gegen ihn gerichteten Aktivitäten im Dorf und begründet in seinem Schreiben an die Amtskammer in Berlin vom 16.9.1721 die richtige Entscheidung seines Vaters zu seinen Gunsten und bezichtigt seinerseits seinen Bruder Christian, sich den Hof und das Schulzenamt „mit allerhand List an sich zu ziehen“. Auch seine Mutter, also die Witwe des verstorbenen Schulzen, Catharina Iden, fühlt sich berufen, ihrem jüngeren Sohn Jürgen beizustehen und schreibt am 3.1.1721 einen fünfseitigen Brief an die Kammer. Auch sie spielt darauf an, daß ihr Sohn Christian bei seinem Vater in Ungnade gefallen war, ohne konkrete Gründe zu nennen. Unfreiwillig gibt sie aber zu, daß Jürgen im Dorf unbeliebt ist und Gegner hat, wie z.B. „den Herrn Prediger“ und den Mühlenmeister. Sie erwähnt auch den Schöppen Bergemann, „der will gerne daß der Älteste das Guth haben soll und will ihm seine Tochter anschmieren“ (!)

Am Schluß bittet sie, „meinen jüngsten Sohn zu confirmieren (d.h. als Schulze zu bestätigen), …denn es mein Mann seel. auf dem Todtbette noch gebeten“.

Das Dorf steht in voller Aufruhr, als alle Bauern und Kossäten ins Amt Oranienburg zwecks Befragung befohlen werden. Bis auf einen Kossäten entscheiden sich alle für Christian Iden als Schulzen.

Letztendlich scheint die Obrigkeit ob der Querelen in Birkenwerder die Geduld zu verlieren. In einem offensichtlich von der Amtskammer in Berlin an den König gerichteten Schreiben vom 31.1.1722 wird um die Bestätigung des bisherigen Gerichtsschöppen Gottfried Bergemann als Schulze in Birkenwerder gebeten. [s. Abb.] .“Allerdurchlauchtigster. Nachdem ohnlängst unser Schulze in dem Dorffe Berkenwerder Jürgen Iden mit Tode abgegangen, und dessen Stelle hinwieder mit einem tüchtigen Manne besetzet werden muß, wozu wir den Gerichtsschöppen Gottfried Bergemann dienlich zu seyn erachten, des Verstorbenen Schultzen Jürgen Idens beyde Söhne aber, so sich mit Gewalt hinzu eindringen, und sich deßen anmaßen wollen, keines Weges dazu geschickt zu seyn erkennen, Alß bitten wir allerunterthänigst Er. Königl Mayß. geruhen allergnädigst: vor uns die Königl. hohe Gnade zu haben und uns den obgedachten Gerichts-Schöppen Gottfried Bergemann vor allen anderen zu unsern Schultzen zu geben und dazu zu konfirmiren (bestätigen)…“

Friedrich Wilhelm I, zeigt sich „gnädig“, Gottfried Bergemann wird Schulze in Birkenwerder.

Autor: Siegfried Herfert