Birkenwerder verweigert dem Kaiser die Auskunft

Viele Geschichten, Ereignisse und Begebenheiten in grauer Vorzeit und näherer Vergangenheit von Birkenwerder sind es wert, uns in Erinnerung zu rufen. Auch wenn den alten Birkenwerderanern heutige Probleme, wie z.B. Diskussionen zu Einzelhandelskonzept und Vollsortimenter fremd waren, gab es für sie auch in jener Zeit schwer zu lösende Probleme, die uns heute manchmal als kuriose Querelen anmuten.

Neben der Berichterstattung über unspektakuläre aber interessante Ereignisse ist auch auf die außergewöhnlichen Begebenheiten einzugehen. Bei diesen gewinnt man manchmal den Eindruck, dass die Bewohner von Birkenwerder einen ausgesprochenen Sinn für Gerechtigkeit haben, manchmal verbunden mit einer Portion Halsstarrigkeit und Eigensinn – sie wollen sich nicht alles gefallen lassen!

Das kann sichtbar werden innerhalb der Familien, im Verhältnis zu den Nachbarn und gegenüber der Obrigkeit. Auf jeden Fall scheint das Wasser der Briese, auch wenn nicht alle Birkenwerderaner mit ihm getauft waren bzw. sind, eine belebende und aktivierende Wirkung auf ihre insgesamt liebenswerten Eigenschaften zu haben.

Das erste besondere Ereignis ist bereits in einem der ältesten und damit sehr wichtigen Dokument der Geschichte, im Landbuch der Mark Brandenburg Kaiser Karl IV. von 1375 beschrieben.

Karl IV. (1316-1378) war König von Böhmen, seit 1346 deutscher König und wurde 1355 zum Kaiser gekrönt. Im Vertrag zu Finsterwalde trat ihm der Wittelsbacher Otto der Faule 1373 die Mark für 3 Mill. Goldgulden ab. Er richtete Tangermünde an der Elbe als Zweitwohnsitz u.a. mit dem Bau des Schlosses ein.

Seine Neuerwerbung in der Mark befindet sich in einem äußerst mangelhaften wirtschaftlichen Zustand. Die schlechte Verwaltung, die nach und nach eingetretene Zerrüttung der finanziellen Grundlagen durch Verlehnung und Verpfändung des landesherrschaftlichen Grundbesitzes und anderer Rechte machen es unbedingt notwendig, alle Dörfer, Städte, Güter und Schlösser zu erfassen, die Größe der Feldmark und des Waldes aller Orte und die Zahl und Struktur ihrer Einwohner zu ermitteln. Ziel ist es, eine umfassende Übersicht über die Besitz- und Steuerverhältnisse zu gewinnen und im Landbuch zu dokumentieren. Im Mittelalter vergab der Landesherr, als Lehnsherr, unter der Bedingung der gegenseitigen Treue Land, Dörfer und Ämter an Adlige in erblichen Besitz als Lehen.

Für meine Ausführungen wurde als Quelle das „Landbuch der Mark Brandenburg von 1375“, herausgegeben von Johannes Schultze, Berlin 1940, verwendet.

Den wichtigsten Teil des Landbuches bilden die Dorfregister, u.a. für Teltow, den Barnim, das Havelland und Zauche. Das Register für den Barnim, wahrscheinlich 1376 aufgenommen, umfasst 178 Dörfer. Die Erkundung der örtlichen Verhältnisse erfolgt durch mündliche Befragung durch einen markgräflichen Beamten, den Landreiter und den zuständigen Vogt. Anwesend sollen sein der Grundherr, der Pfarrer, der Schulze und alle Bauern und Kossäten.

Nach Ermahnung zur Ehrlichkeit – alles verschwiegene Gut sollte dem Kaiser verfallen sein – erfolgt die Befragung entsprechend dem vorgegebenen Fragespiegel und die Anfertigung des Protokolls. Die Fragen selbst sind wortwörtlich im Landbuch notiert, sie umfassen 23 Punkte. Damit war eine einheitliche Analyse im visitierten Gebiet möglich, es ergab sich auch eine Vergleichbarkeit der Dörfer.

Man kann sich gut vorstellen, dass die nicht alltägliche Dorfversammlung anlässlich der Befragung gewisse Aversionen gegen die Obrigkeit erzeugte – wer erstellt heute seine Steuererklärung frohen Mutes? Ganz besonders natürlich in Birkenwerder: sein Besitzer, Mentz von Holtzendorf, verhindert die Erfassung der Daten, eine ungeheuerliche Zuwiderhandlung! Nur noch einmal wird ein ähnliches Ereignis gemeldet: die Herren von Knesebeck weigern sich, Angaben über ihr Dorf Dähre zu machen.

Pfarrer Lehmann in Birkenwerder hat sich 1903 um die Angelegenheit bemüht und den Historiker Alexander Gierds um Übersetzung des lateinischen Textes über Birkenwerder und einen entsprechenden Kommentar gebeten. A. Gierds war Pfarrer in Petershagen, er ist u.a. Verfasser der Arbeit „Bausteine zu einer Geschichte des Barnims“.

Die Antwort von Alexander Gierds – seine persönlichen Anmerkungen hat er in eckige Klammern gesetzt- lautet (s. Abb.):

„Birkenwerder ist das Heiratsgut der Witwe einst Jan [Johannes] von Buk´s [Buch!], die jetzt Mentz von Holtzendorfs Frau ist; doch sind ihm seiner Ehefrau Güter nicht zu Lehen übertragen. Dies Dorf [sc Birkenwerder] ist nicht mit aufgeschrieben [d.h. leider nicht nach seinen Einzelheiten, Bewohnern, Hufenzahl etc. gebucht], weil genannter Mentz es nicht gestattet hat [d.h. er hat auf die amtlichen Fragen nach dieser Richtung die Auskunft verweigert]. Aber eine Mühle gibt es da. Krug, Kossäten, Seen, Waldungen und sehr fruchtbare Heideländer [es kann auch das hier stehende mericae mit „Bienenwälder“ übersetzt werden]. Die genannte Frau hat auch die Hälfte des Dorfes Grunental [heute Grünthal im Barnim] zum Heiratsgut, wie oben geschildert [d.h. ihr zweiter Mann hat auch hier keine Belehnung erhalten].

Bem. Dies ist leider eine dürftige Nachricht, wie dieselbe mir zum ersten Male vorkommt. Das Landbuch schildert sonst bei den anderen Orten sehr genau…“

Übrigens gelingt es Mentz v. Holtzendorf, seiner Steuerpflicht nicht nachzukommen, auch von den angedrohten Bestrafungen ist keine Rede!

Autor: Siegfried Herfert