Was Freundschaft übersteht

Die Städtepartnerschaft Birkenwerder-Villetaneuse ist zweifelsfrei eine besondere. Im Jahre 1966 suchte die französische Gemeinde nördlich von Paris einen Partner mit ähnlichen Idealen in der DDR. Mit Birkenwerder fand sie eine Gemeinde auf Augenhöhe. Villetaneuse hat ca. 12 000 Einwohner und liegt nördlich von Paris. In der Kommune lebt die jüngste Bevölkerung Frankreichs, meist mit kolonialem Hintergrund. Sie macht Villetaneuse zu einem bunten und vielfältigen Lebensort.

Begonnen hat die Partnerschaft mit einem holprigen und einseitigen Start, denn der Austausch zwischen der DDR und Frankreich war von Staatswegen unerwünscht. Durch den Einsatz der beiden Bürgermeisterinnen schien das Unmögliche doch wahr zu werden. Gertrud Marx, Bürgermeisterin von Birkenwerder und ihre Amtskollegin Pierrette Petitot, haben Krieg und Trauer miterlebt. Mit ihren Gemeinden wollten sie ein Zeichen setzen, für den europäischen Frieden und die deutsch-französische Annäherung.

Regelmäßige Jugendaustausche sorgten in den 70er Jahren für die Beständigkeit der Partnerschaft. Schüler, Sportler, Gemeindevertreter und andere Bürger beider Kommunen lernten sich intensiv kennen. Der Austausch war allerdings von Anfang an nur von französischer Seite zu realisieren. Die Möglichkeit nach Frankreich zu reisen, war für die Birkenwerderaner bis in Ende der 80er Jahre schier undenkbar. Der Nationalfeiertag der DDR am 7.Oktober war nicht nur ein jährliches Ritual für Millionen von DDR-Bürgern. Zum 20. Jahrestag der DDR kamen viele französische Bürger in Villetaneuse zusammen, um an einen lebendigen Austausch zu appellieren.

1973 wurde die DDR offiziell von Frankreich als souveräner Staat anerkannt. Für die Partnerschaft hatte dies keine positiven Auswirkungen hinsichtlich der Reisefreiheit. Die Verbindung zu Villetaneuse schlief so allmählich ein, bis 1987 neuer Mut gefasst wurde. Endlich konnte eine Delegation aus Birkenwerder nach Villetaneuse reisen. Ein Neubeginn für den binationalen Austausch.

Birkenwerder setzte alles daran, aufzuholen, was nötig war: Ein zehnköpfiges Komitee und wurde gegründet. Französischlehrerin Katrin Lindstädt engagierte sich mit viel Einsatz für den regelmäßigen Austausch von Schülerinnen und Schüler beider Schulen. Mit ihrer französischen Kollegin Dominique Kalflèche unternahm sie jahrelang erfolgreiche Schülerprojekte, darunter eine Aufführung des „Kleinen Prinzen“, des Aschenputtelmärchens und ein Fußballabend zur WM 1998 in Frankreich.

Angekommen im 21. Jahrhundert schien die Partnerschaft wiederum an ihre Grenzen gestoßen zu sein. „Die Verantwortung lastete zu sehr auf der Schule. Außerdem fand kaum Austausch zwischen Gemeindevertretern aufgrund von Sprachbarrieren statt“, resümiert Katrin Lindstädt heute. 2005 gab es den letzten Schüleraustausch mit der Regine-Hildebrandt-Schule. Seit dem hat die Einrichtung eine neue Partnerschule in der Bretagne gefunden.

Nach mehreren Jahren Stillstand hat sich die Partnerschaft im November 2011 neu formiert. Bürgermeister Norbert Hagen und seine französische Amtskollegin Carinne Juste zeigten sich entschlossen, einen Neuanfang zu wagen. Im darauffolgenden Jahr wurde ein Städtepartnerschaftsvertrag unterzeichnet. Es ist das erste Dokument, was sich nach 46 Jahren Freundschaft Vertrag nennen kann. Zu DDR-Zeiten wurden nur Vereinbarungsprotokolle unterzeichnet.

Der neue Vertrag sieht regelmäßige Treffen von Bürgerinnen und Bürgern beider Kommunen vor. Im Vordergrund steht die Begegnung zwischen Jugend, Senioren, Vereinen und Verwaltung. Die Vertragsunterzeichnung gab der Städtepartnerschaft neuen Aufschwung. Vier Abiturienteninnen reisten für ein vierwöchiges Praktikum nach Villetaneuse. Zum 50. Jubiläum des Élysée-Vertrages wurde eine Festwoche im Rathaus Birkenwerder veranstaltet. Eine Skype-Konferenz zwischen Jugendlichen beider Gemeinden ist geplant, sowie eine deutsch-französische Radtour entlang des Rheins.

Nach dem Austausch aus der Ferne und der einzigen Möglichkeit sich telefonisch zu verständigen, präsentieren sich die Städtepartner heute selbstbewusst. Beide Seiten hoffen, dass sich die neugewonnene Motivation von Generation zu Generation überträgt.

Autor: Robin Miska

Präsenteation zur Geschichte der Städtepartnerschaft

Hier können Sie in einer kurzen Präsentation mehr über die Geschichte der Städtepartnerschaft erfahren.

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