Freibauer Schröder wird weggejagt

Louise Henriette von Oranien/Nassau (1627-1667) hatte von ihrem Gatten, dem Großen Kurfürsten von Brandenburg Friedrich Wilhelm, das Amt Bötzow, das spätere Oranienburg, mit allen dazugehörigen Dörfern, Gütern, Vorwerken, Schäfereien, Mühlen, Weiden, Fischereien mit allen Pacht- und Zinseinnahmen 1650 geschenkt erhalten. Bereits nach wenigen Jahren hatte sie mit großer Begeisterung, Tatkraft und Beharrlichkeit die Verwaltung reorganisiert und die wirtschaftliche Entwicklung von Stadt und Land mit großem Erfolg gefördert.

Auch das „Rittergut“ Birkenwerder kam in ihren Besitz, sie ließ es, wie auch andere Vorwerke, durch einen Verwalter, dem Meier, leiten.

Wie der Verfasser der „Geschichte der Stadt Oranienburg“ Pfarrer Friedrich Ballhorn 1850 schreibt, war „…eine andere Ansicht über die Bewirtschaftung ihrer Güter in der Kurfürstin zur Reife gekommen. Die Ursache dazu lag wohl theils in der Unmöglichkeit, alle bei ihrem weitläufigen Wirthschaften angestellten Personen zu beaufsichtigen, daß sie Faulheit und Unredlichkeit, welche ihr so sehr zuwider waren und wodurch der Ertrag so geschmälert wurde, verhütete.“

Ihre Vorwerke sollten danach nicht mehr durch Meier bestellt, sondern aufgeteilt und an Bauern verpachtet werden.

In einem im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam verwahrten Dokument wird über das Ereignis in Birkenwerder berichtet.

Der Text des Ausschnittes lautet: „Dessenach Ihre Churfürstl. Durchl. zu Brandenburg, Unsere allergnädigste Churfürstin und Frau, den Vorwerks Acker durch Meier und Gesinde zu Berkenwerder nicht länger hat wollen bestellen lasen, sondern denselben um ein gewisses Korn- oder Geldpacht auszuthun, sich allergnädigst revolviert (entschlossen).“

Demnach hat Louise Henriette das Gut Birkenwerder 1666 an sechs Bauern, sog. „Freybauern“ oder „Freisassen“, aufgeteilt. Fünf der Bauern erhielten für den Bau ihrer Häuser, Scheunen und Ställe Baumaterial. Die Anwesen lagen westlich der heutigen Kirche – der sechste Bauer bezog das ehemalige Gutshaus, den sog. Rittersitz. Er befand sich etwa auf dem heutigen Anwesen an der Briese hinter dem Pfarrgrundstück.

Alle sechs Bauern waren zu gleichen Teilen mit Acker- und Wiesenland, Bau- und Brennholz aus dem Kammerforst und mit Fischereirechten in der Havel ausgestattet. Sie waren von Kontribution (Kriegssteuer), von der Pflicht zur Einquartierung, d.h. von der Aufnahme und Versorgung von Soldaten durchziehender Truppen, vom „Jagdlaufen“, also von Treiberdiensten bei kurfürstlichen Jagden befreit und erhielten die sog.. „Hofwehr“. Was zur „lebendigen“ und „toten“ Hofwehr zählte, wird z.B. im Gerichtsbuch des Königl. Preuß. und Churfürstl. Brandenburgischen Waysenhaus zu Oranienburg 1749“ für die zum Waisenhaus gehörenden Veltener Bauern vermerkt: die fällige Sommer- und Winteraussaat, je zwei Pferde, Ochsen, Kühe, eine Zuchtsau, je ein Wagen, Pflug, Kessel, je eine Hacke, Axt, Heugabel, Mistgabel, Kornsense und Grassense. Auch die „Neubauern“ in Birkenwerder wurden mit einer ähnlichen „Hofwehr“ ausgerüstet, genannt wird nur der Viehbesatz.

Als Pacht hatten sie jährlich eine Gans, zwei Hühner und 30 Eier zu liefern und 20 Taler an das kurfürstliche Amt zu zahlen. Hof, Acker und Vieh waren nicht ihr Eigentum sondern in Erbpacht. Betont wird, daß das Anwesen „eisern“ zu erhalten war, Verkauf oder Beleihung ausgeschlossen. War nach dem Tod des Bauern kein Erbe vorhanden, also weder Witwe noch Söhne, wurde durch das Amt ein Nachfolger bestimmt.

Eine solche „Enteignung“ erfolgte auch aus anderen Gründen. Trotz der wesentlich besser gestellten Bauern in Birkenwerder, im Verhältnis zu den Bauern in adligen Dörfern, kam es bald zu größeren Schwierigkeiten. Einer der Bauern, Jürgen Schröder, machte sich unbeliebt und schaffte es nicht, ausreichende Erträge zu erwirtschaften; in der genannten Akte wird letztendlich vermeldet:

„ Weile nun aber gedachter Jürgen Schröder dem Rittergute, wie es einem treuen Unterthan gebühret, nicht wohl vorgestanden, sondern alles unterwohnet, so hat die Churfürstl. Amts Kammer zu Cölln an der Spree den 27. Januar 1683 an den damaligen Amtsmann zu Oranienburg Johann Jacob Sperlen rescribiret, und befohlen, den vorgedachten Jürgen Schröder wegzujagen, und an dessen Stelle Jürgen Iden anzunehmen, welches auch erfolget…“ Der Befehl wird ausgeführt, Jürgen Iden erhält gleichzeitig das Amt des Schulzen in Birkenwerder.

Wenig später ereilt Jürgen Weingarth das gleiche Schicksal. Zur Ehrenrettung der ersten Bauern in Birkenwerder muß gesagt werden, daß wegen der schlechten Bodenverhältnisse, der nicht ausreichenden Wirtschaftsflächen und der uneffektiven Arbeitsmethoden, sicherlich auch wegen mangelnder Kenntnisse und Erfahrungen, alle ursprünglich eingesetzten Bauern in Ungnade fielen. Um 1700 saßen auf allen Höfen andere Familien, so „frei“ waren die kurfürstlichen „Freybauern“ also nicht!

Autor: Siegfried Herfert