Bei einer Hochzeit eine Ochsenzug
Johann Friedlieb Bona, Prediger in der Gemeinde Birkenwerder von 1710 bis 1720, hat in seiner Chronik „Nachricht von Birkenwerder und den dazu gehörigen Filiabus“ berichtet, in welcher schwierigen Situation sich das Land und seine Menschen befanden. Nur etwa 60 Jahre waren nach dem furchtbaren Dreißigjährigen Krieg, in dem Höfe, Dörfer, Felder und Wälder zerstört bzw. verwüstet worden waren, vergangen. Die Bevölkerung hatte unerhörtes Leid erfahren, ausgepresst, bestohlen, ermordet und mit Glück, geflohen. 1649 war in Birkenwerder nur noch ein Kossäten-hof bewohnt, der einstige adlige Rittersitz fast ruiniert, nur noch drei Räume waren bewohnbar, Scheune und Ställe verwüstet. Wie sollten sich in der historisch kurzen Zeit die Voraussetzungen für eine ausreichende materielle Sicherung der Dorfbewohner einschließlich Prediger und Küster entwickeln? Die feudalen Besitzverhältnisse, mangelnde Kenntnisse und zum Teil Unfähigkeit in der Landesbevölkerung und unproduktive Anbaumethoden – Dreifelderwirtschaft, ein Drittel der Ackerfläche lag im Wechsel brach – stellten große Hindernisse dar.
Selbst die Änderung der Besitzverhältnisse durch die Kurfürstin Louise Henriette, der Gattin des Großen Kurfürsten, bei der Schaffung der sechs Freibauernstellen 1666 in Birkenwerder führten erst nach längerer Zeit zur Bildung von Bauernhöfen, die erfolgreicher wirtschafteten und ihren Besitzern einen gewissen Wohlstand ermöglichten.
Die Auswirkungen der kritischen Verhältnisse auf den Unterhalt kirchlicher Ein-richtungen und Besoldung und Versorgung von Prediger und Küster sind in Archiv-materialien des Archivs der evangel. Kirchengemeinde dokumentiert. Natürlich war der Pfarrer bestrebt, sein Einkommen schriftlich zu fixieren und sich bestätigen zu lassen. Das erfolgte z. B. mit den sog. Matrikeln. Eine Matrikel ist ein amtliches Verzeichnis von Personen oder Personen und deren Einkünfte, im Falle einer Pfarrmatrikel auch eine Darstellung des Eigentums der Pfarre an Gebäuden, Inventar, Acker, Garten und Wiesen. Eine umfangreiche Matrikel der Pfarre von Birkenwerder von 1716 liegt als Abschrift vor.
Das Dokument wurde abgefasst als Ergebnis der 1716 erfolgten Kirchenvisitation durch das Berliner Konsistorium unter Leitung von Johann Porst, dem Probst von St. Nikolai in Berlin. Außer ihm haben unterschrieben F. W. Führmann, ein weiterer Visitator, Bona selbst und die Kirchenvorsteher Georg Iden und Hans Bergemann.
Die Matrikel enthalten die Abgaben der Gemeindemitglieder an den Prediger, die Küster in Birkenwerder und Pinnow, die anfallenden Gebühren bei allen kirchlichen Verrichtungen, von der Taufe bis zur Beerdigung, und die Einkünfte des Schulmei-sters in Bergefelde. Dazu einige Beispiele.
Der Prediger erhält:
von den sechs Freibauern Birkenwerders jährlich zwei Scheffel Roggen und ein Scheffel Gerste (ein Scheffel etwa 55 l, bei Roggen etwa 40 kg, bei Gerste etwa 34 kg), von jedem der acht Kossäten „16 Groschen baar Geld“,
von den sieben Hohen Neuendorfer Bauern insgesamt 27 Scheffel Roggen und sechs Scheffel Gerste, aus Pinnow 10 Taler in bar.
An Gebühren sind zu entrichten:
für eine Taufe in Birkenwerder drei Silbergroschen,
in den anderen Orten, „wohin er mit seinem Gespann reisen muss“, sechs Silbergroschen,
für das Aufgebot, die Trauung und die Traupredigt ein Taler,
bei jeder Hochzeit „eine Ochsenzung, vier Ochsenfüß, ein Stück Rindfleisch im Brot und etliche Quart Bier, welches der Prediger alles mit dem Küster theilet“, (ein Quart Bier etwa ein Liter),
bei einer Leiche, die ohne Predigt begraben wird, sechs Silbergroschen,
Ostern zwei Schock Eier, mit dem Küster zu teilen,
bei allen Ausrichtungen ist der Prediger zur Mahlzeit zu laden,
der Prediger erhält das Klingelbeutelgeld an den drei Festtagen Weihnachten, Ostern und Pfingsten.
Für die Küster ist eine ähnliche Aufstellung enthalten; in Birkenwerder lässt Bona durchblicken, dass der Küster zu großzügig ausgestattet ist.
Die Schulmeisterstelle in Bergfelde ist erst neu eingerichtet worden. Seine Einkünfte bezieht der Schulmeister aus seiner Tätigkeit als Garnweber, für seine Lehrtätigkeit hat er freie Wohnung, drei Scheffel Roggen und von jedem Kinde wöchentlich sechs Pfennig.
Autor: Siegfried Herfert