Auch die Damen durften mal mit zum Kegeln

Das vielfältige Angebot an Geselligkeit, Unterhaltungen und Vergnügungen der zahlreichen Gaststätten und Restaurants in Birkenwerder in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts wurde natürlich besonders während der Wochentage von den einheimischen Bewohnern genutzt.

Bereits in der Sonderausgabe des „Briesetal – Bote“ anlässlich der Einweihung des Rathauses am 6.8.1912 warb der Wirt für sein Lokal als „Restaurant 1. Ranges“ mit einem „Couvert“ (Tafelgedeck) für 1,25 Mark, im Abonnement für 1,10 Mark. Er bot „gutgepflegte Biere“ von drei verschiedenen Brauereien an. Typische Angebote für die Birkenwerderaner waren u.a. Skatturniere mit attraktiven Preisen, als Hauptpreis ein Schwein oder ein Schaf.
Beliebt waren kurios anmutende lotterieartige Veranstaltungen. So bot der Restaurateur Otto Engel in der Zeit vom 6. und 13.2.1910 das „Ausspielen eines Ponys (4 jährig)“ an, „Spielzeit 10-12 Uhr vormittags, 3 -5 Uhr nachmittags, sonntags unbeschränkt, Los á 50 Pfg.“.

Bedeutende Einnahmen sicherten sich die Wirte, deren Gaststätte als „Vereinslokal“ von einem Verein oder Chor ausgewählt wurde. In dem kleineren separaten Vereinszimmer tagte der Vorstand, die größeren Räumlichkeiten und Säle boten den Mitgliedern einschließlich ihren Familien Platz für Veranstaltungen jeglicher Art.

Berichtet wird von Vereins- und Stiftungsfesten, Jubiläumsfeiern, Masken- und Kostümbällen, Karnevalsveranstaltungen und Weihnachts- und Silvesterfeiern.

Die Chöre „Eiche“, „Liedertafel“ – später vereinigt als „Liedereiche“, der Gesangverein „Harmonie“, der Kirchenchor u. a. konnten auf eine lange Tradition zurückblicken. Die ältesten sportlichen Vereinigungen waren der „Turnverein Friesen Birkenwerder“ und der „Ballspiel-Club 08“. Im Laufe der Zeit lösten sich Vereine auf oder schlossen sich zusammen, neue bildeten sich. Jede Vereinigung zeigte in ihren Fahnen und ihrer Kleidung besondere Symbole und verwendete eigene Grußformeln. Der etwas später gegründete Schwimmklub beendete seine Veranstaltungen mit einem dreifachen „Gut Naß“!

Die vereinsinternen Gepflogenheiten des Kegelclubs „Feuchte Kugel“ hoben sich positiv von denen anderer Vereine ab. So waren zum Kegeln am Himmelfahrtstage 1907, nachmittags vier Uhr, „die Damen der Mitglieder freundlichst zum Kaffee eingeladen“. Einem anderen Bericht im Briesetal – Bote zum Preiskegeln im Vereinslokal St. Hubertus, an dem auch die Damen teilnahmen, ist zu entnehmen, dass „ein fideler Kommers (eigentlich eine studentische Bezeichnung für ein festliches Trinkgelage) die Mitglieder bis zum anderen prachtvollen Maimorgen beieinander hielt“.

Die Vereine umrahmten ihre festlichen Veranstaltungen mit Aufführungen entsprechend ihrem Kolorit. Sinngemäß sangen die Chöre und führten Singspiele auf, der Turnverein Friesen zeigte „Geräte-, Frei- und Stabübungen“. Für den Turnverein wurden aber auch nach der 1907 erfolgten Verlegung ihres Vereinslokals zum „Boddensee“ die dortigen Räumlichkeiten für die Turnstunden genutzt, natürlich getrennt für Männer- und Jugendabteilung, Schülerabteilung, Damen- und Schülerinnenabteilung.

Bei den familiären Weihnachtsfeiern führten die Kinder der Vereinsmitglieder „Lebendige Bilder“ auf, rezitierten Gedichte, sangen Weihnachtslieder und wurden „bescheert“.

Der Friesenverein verteilte „Scherzgeschenke“ für die Männerabteilung“.

Lange Tradition im Ort hat die Freiwillige Feuerwehr, die ihre Aktivitäten bis in die heutige Zeit zum Wohle der Gemeinde erfolgreich fortgesetzt hat. Nicht mehr aktuell sind die Freiwillige Sanitätskolonne, über die noch zu berichten ist, der Vaterländische Frauenverein, der Kriegerverein, die Militärkameradschaft, die Kriegerkameradschaft und der Patriotischer Verein. Über die Feiern dieser Vaterländischen Vereine anlässlich „Kaisergeburtstag“ und „Sieg bei Sedan“ wurde schon berichtet. Erstaunlich die Einladungen zum Festessen anlässlich des Geburtstages „Sr. Majestät des Kaisers und Königs“ am 26.1.1910: Alle diejenigen Herren, welche sich hieran zu beteiligen wünschen, werden gebeten, ihre Namen zu melden“. Zu melden war an die Gemeindeverwaltung bzw. an das veranstaltende Restaurant.

Höchst gefährlich mutet uns heute der damals übliche legere Umgang mit Waffen bei Aufmärschen und Schießübungen an. Bis 1910 lagerten die Mitglieder der Militärkameradschaft ihre Gewehre in ihrer Wohnung, danach im Vereinslokal Sanssouci in einem „gestifteten“ Gewehrständer.

Autor: Siegfried Herfert