Posträuber von Birkenwerder grausam hingerichtet

Eine im Unterschied zu den üblichen Beurkundungen im „Verzeichnis der Verstorbenen Im Jahr 1789 und 90“ im Kirchenbuch von Birkenwerder umfangreichere und ausführlichere Eintragung von Pfarrer Goldmann beginnt wie folgt:
„Harrang Schirrmstr. der Königl. Preuß. Stettiner Post wurde am 14. Junij 1789 Mor-gens früh um halb 6 Uhr ohnweit Birkenwerder in der Heide an der Poststraße mit zwei seiner bei sich habenden Postillions, die Söhne des Bäkkermstr. Wegener zu Oranienburg ermordet gefunden, und an demselben Tage Nachmittags um 4 Uhr nach vorher geschehener Obduktion auf dem Kirchhofe zu Pinnow begraben …“.

Was war geschehen?

Am genannten Datum und kurz danach fand man an der Landstraße zwischen Ha-velhausen und Birkenwerder an Fundorten nicht weit von einander zwei Tote und einen Schwerverletzten, sie wiesen Verletzungen, verursacht durch Einwirkungen stumpfer Gewalt und Messerstiche, auf. Es handelte sich um den Schirrmeister Har-nack (richtige Schreibweise lt. der im Stadtarchiv Oranienburg vorliegenden umfangreichen Mordakte), den Postillion Wegener und dessen siebzehnjährigen Bruder, der drei Tage später verstarb. Der Erbpächter Urack aus Borgsdorf überbrachte die Todesnachricht des zuerst aufgefundenen Postillions dessen Vater, dem Bäckermeister Wegener in Oranienburg, dieser informierte das Amt Oranienburg. Eine Meldung ging an den Gemeindevorsteher in Birkenwerder.

Es stellte sich heraus, dass am Vorabend die Post mit einem „Bey-Post-Wagen“, der mit 8 Fässern Geld, insgesamt 6800 Thaler beladen, nach Berlin abgegangen war. Auf dem Fahrzeug befand sich der Schirrmeister, geführt wurde es durch den Postillion Wegener, sein jüngerer Bruder ging zu Fuß.

Mir liegt die „Instruktion für die Post-Schirrmeister“ des Generalpostamtes Berlin von 1823 vor, die durch große Bemühungen der Stadtbibliothek Oranienburg besorgt werden konnte. Die Bestimmungen dieser Arbeitsrichtlinien dürften schon zur Tatzeit 1789 gegolten haben.

Danach sind alle nur möglichen Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung des Posttransportes gemacht worden. Vom Schirrmeister „wird gefordert, dass er, wie es jedem Königl. Diener gebührt, des Königl. Interesse überhaupt, und das Postinteresse … nach Vermögen befördern“. Er war u.a. verantwortlich für alle technischen Belange, so für den Zustand und die Ausrüstung der Postwagen, einschließlich der Sielen und des Zaumzeugen der Pferde und für deren Gesundheit und Behandlung. Ihm oblagen die Abwicklung der Postgeschäfte bei Empfang und Abgabe und die Betreuung der Passagiere, wenn solche zu befördern waren. Er hatte die volle Aufmerksamkeit und Wachsamkeit während der gesamten Fahrt auf die Sicherheit der beförderten Postgüter zu richten. „…auch um etwanigen räuberischen Anfällen desto schneller und kräftiger begegnen zu können … vorzüglich, wenn der Weg durch die Heide führt!“ Der Schirrmeister Harnack war nicht, wie vorgeschrieben, bewaffnet. Er war, gleich hinter Oranienburg, auf dem Wagen auf einem Sack Stroh eingeschlafen!

Die Hauptschuld an der Mordgeschichte dürfte aber die Königl. Post in Orani-enburg treffen. Die wertvolle Geldladung hätte nur auf einen regulären Postwagen  und nicht auf einem Beipostwagen befördert werden dürfen, grundsätzlich hätte der Nachttransport mit bewaffnetem Begleitpersonal erfolgen müssen. Später stellte sich heraus, dass Oranienburger Bürger von dem Geldtransport Kenntnis hatten, die Geheimhaltung war sträflich verletzt worden.
An der umfangreichen Suche in der Umgebung der Mordtat waren Soldaten aus Oranienburg und Husaren aus Berlin eingesetzt. Gefunden wurden 3 Fässer und sieben Postbeutel, noch original versiegelt, mit dem Gesamtinhalt von 4000 Thalern. Noch am Tattage war der Beipostwagen, den ein Kuhhirte im Wald entdeckt hatte, in Oranienburg abgeliefert worden, auf dem Gefährt fünf leere Fässer, ein Schlachtermesser und ein Futtersack.

Mit großem Aufwand erfolgte die Fahndung nach dem bzw. den Tätern. Von vielen Einwohnern der Umgebung kamen Hinweise, in o.g. Akte befinden sich viele Aussageprotokolle. Ein Verdacht konzentrierte sich immer stärker auf den Schlachterge-sellen Christian Lenz. Der Verschwundene wurde steckbrieflich verfolgt, am 17. August im Gebiet von Gr. Schönebeck ergriffen und nach Berlin auf die Hausvogtei gebracht. Bei den ersten Vernehmungen leugnete Lenz die Tat, beschuldigte einen Mittäter, gab aber dann zu, den Schirrmeister Stichverletzungen beigebracht zu haben. Nach einer Tatortbesichtigung zeigt er Verstecke mit weiteren 934 Thalern und gestand letztendlich, alle drei Morde begangen zu haben. Er hatte den zu Fuß gehenden jungen Wegener begleitet, ihn abgelenkt und von hinten mit einem Stein die Schädeldecke eingeschlagen. Er kletterte von hinten auf den Postwagen und erstach den schlafenden Schirrmeister. Dann erst wurde der Postillion Wegener auf das Geschehen hinter ihm aufmerksam, es entstand ein Kampf mit Lenz, dem er letztendlich nach furchtbar erlittenen Verletzungen unterlag und verstarb. Lenz vergrub die später geschlossen aufgefundenen Behältnisse und den Inhalt der geöffneten fünf Fässer an verschiedenen Stellen im Wald, jagte das Gespann davon und flüchtete.

Christian Lenz wurde in Berlin zum Tode auf dem Rad „von unten auf“ verur-teilt. Der Delinquent kam bei dieser Strafe auf die qualvollste Art zu Tode. Er wurde auf dem Rücken liegend mit gestreckten und gespreizten Armen und Beinen auf dem Erdboden oder auf einem entsprechend konstruierten Holzgerüst gefesselt, wobei durch untergelegte „Brecheln“ die Gliedmaßen hohl lagen. Von „oben auf“ war die gnädigere Art der Hinrichtung, d.h. der Henker schmetterte das schwere Wagenrad zuerst auf Kopf bzw. den Hals oder die Herzgegend und führte damit den Tod herbei. Von „untern auf“ bedeutete, die Tortur von den Füßen an in vorgeschriebenen Abständen zum Körper hin durchzuführen. Eine weitere Verschärfung des Urteils verlangte die Auslassung des Gnadenstoßes auf den Brustkorb bzw. auf den Kopf. Anschließend flocht man den Toten oder noch Lebenden auf das Rad und richtete den Pfahl mit dem darauf befestigten Rad auf. Lebte der Verurteilte noch nach dem dritten Tag, durfte er gepflegt werden. Es wird berichtet, dass Geräderte erst am neunten Tag gestorben sind. Bei einer anderen Hinrichtungsart durch Rädern wurde der Verurteilte auf dem Rad festgebunden und durch den Henker mit einer Eisenstange traktiert und getötet.

Von den verladenen 6800 Thalern waren nach dem Überfall 4934 Thaler gefunden worden, Lenz hatte bei der Tat etwa 50 Thaler an sich genommen. Der erhebliche „Schwund“ von über 1800 Thalern blieb rätselhaft. Die Heide dürfte von vielen Men-schen durchstreift worden sein, die gefundenen Thalerstücke behielten die Finder. Tatsächlich rankten sich um den Mord und Postraub geheimnisvolle Geschichten. So solle in finsteren Nächten der Geist des Mörders nach seinem vergrabenen Schatz suchen.

Autor: Siegfried Herfert

Abb 1: Hinrichtung des dreyfachen Mörder Lenz aus Orangenburg
        Quelle: Hinrichtung des Mörders und Posträubers Christian Lenz, 
        am 19. Januar 1790, in Berlin, altcol. Kupferstich, unbez., 1790?,
        Kreismuseum Oberhavel, Grafiksammlung