Mehr als ein Lippenbekenntnis – Gemeindevertretung stimmt für Ausrufung des Klimanotstandes

In der Gemeinde Birkenwerder ist der Klimanotstand ausgerufen worden. In ihrer Sitzung am Dienstag, 17. September 2019, ist einem entsprechenden Beschlussantrag mehrheitlich zugestimmt worden. Lange Diskussionen gab es auch zur Verkehrslenkung im Gebiet Havelstraße / Industriestraße während der Bauphase des neuen Wohngebiets (B-Plan 37-2) oder zur Verkehrsberuhigung im Ludwig-Richter-Viertel.




„Ja, es ist ein sperriges Wort“, räumt Susanne Kohl, Vorsitzende der SPD-Fraktion, ein. Klimanotstand – das sei eher ein Erkennungsmerkmal und diene unter anderem zur Vernetzung der Kommunen, die anerkennen, dass auf der Erde eine Gefahr für das Klima und durch die Klimafolgen auch für die Gesundheit der Menschen besteht. Dem konnten letztlich 13 von 19 Abgeordneten zustimmen, bei drei Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. Im Beschluss ist nun unter anderem festgeschrieben, dass das Klimaschutzkonzept aus dem Jahr 2013 überprüft und jährlich fortgeschrieben werden soll. Klaus-Günter Schnur (Pro Birke) warnte, dass die Ausrufung des Klimanotstandes nicht nur ein Lippenbekenntnis sein dürfte und unterbreitete gleich mehrere Vorschläge, inwieweit die Gemeinde etwas für das Klima tun kann. Dazu gehört die Pflanzung von zehn Ulmen oder Platanen pro Jahr. Dieser Antrag ist angenommen worden. Aus den Reihen der AfD gab es Kritik daran, dass die Befürwortung zur langfristigen Beibehaltung (auch nach Ablauf der Förderung) eines Klimaschutzmanagers in der Verwaltung Bestandteil des Beschlusses ist. Der Antrag von Daniela Oeynhausen, diesen Punkt zu streichen, ist abgelehnt worden. Bürgermeister Stephan Zimniok (IOB-BiF) stellte klar, dass der Stellenplan ohnehin jedes Jahr als Anlage zum Haushaltsplan neu beschlossen werde und wies auf die hohe Bedeutung der vollen Klimaschutzmanager-Stelle hin. Im Sinne des Klimaschutzes zu handeln sei eine Aufgabe, der sich die Verwaltung stellen werde. „Es ist ein wichtiges Thema, auch wenn es uns im Augenblick vielleicht nicht immer notwendig erscheint.“ Susanne Kohl erklärte: „Eine Klimakrise haben wir in Birkenwerder definitiv nicht.“ Das dürfe man nicht mit der Ausrufung des Klimanotstandes vergleichen. Im Beschlusstext heißt es dazu: „Die Ausrufung des Klimanotstands [...] ist vor allem ein politisches Bekenntnis mit hoher Signalkraft.“


Verkehrsberuhigung
Das etwa sieben Hektar große alte Industriegelände an der Havelstraße soll schon bald zum modernen Wohngebiet werden. Viele Anwohner fürchten nun den drohenden jahrelangen Baulärm. Allein für den Abtransport kontaminierten Bodens werden 4 000 bis 5 000 LKW-Ladungen erforderlich sein. Wenn die neuen Häuser dann fertig sind, wird mit einer dauerhaften Erhöhung des Ver- und Entsorgungsverkehrs für den gesamten Bereich Birkenwerder-West gerechnet. Die Fraktion IOB-BiF fordert daher die Prüfung und Umsetzung von Tonnagebegrenzungen zur Verkehrslenkung und zur Lärmminderung für Anwohner. Der Baustellenverkehr soll ausschließlich über den Triftweg, die Industriestraße und die Havelstraße gehen. Dafür gab es 12 Ja-Stimmen, keine Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen. In Ergänzung dazu prüft die Verwaltung wie die Anlieger der Industrietstraße während der Bauphase vor zunehmenden Lärm geschützt werden können. Dem konnten 13 Abgeordnete zustimmen, es gab keine Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen. Peter Kleffmann, Fraktionsvorsitzender der IOB-BiF, die diesen Antrag eingereicht hatte, erklärte: „Es geht dabei nicht nur um den Lärm, sondern auch um Erschütterungen, die zu Gebäuderissen führen können.“       

In der Einwohnerfragestunde kamen erneut Anwohner des Ludwig-Richter-Viertels zu Wort. Dort gibt es seit Monaten ein massives Problem mit erhöhtem Umleitungsverkehr. „Der Zustand ist nach wie vor unhaltbar“, beklagte Klaus-Henrik Mischock. Er bedankte sich in diesem Zuge beim Bürgermeister für den gemeinsamen Vor-Ort-Termin Anfang August. Dieser teilte am Dienstag mit, dass ein Gespräch mit der Straßenverkehrsbehörde zur Folge hat, dass das Linksabbiegen aus Richtung Bergfelde in die Ludwig-Richter-Straße künftig dauerhaft verboten wird. Viele nutzen diesen Weg als Abkürzung beziehungsweise Umfahrung der B96. „Wir werden dieses Schild beantragen und aufstellen“, versprach Zimniok. Bauamtsleiter Jens Kruse informierte die Zuhörer darüber, dass die Hennigsdorfer Polizei regelmäßig dort blitzen wird und dass eine weitere Verkehrszählung durch die Gemeinde geplant ist. Er sagte aber auch, dass Probemessungen nur eine durchschnittliche Geschwindigkeitsüberschreitung von 10 km/h ergeben haben und entkräftigte damit den Eindruck vieler Anwohner, dass dort häufig viel zu schnell gefahren werde.

Bebauung Alter Krugsteig
Auf dem Areal am Alten Krugsteig sollen künftig altersgerechte und barrierefreie Mietwohnungen gebaut werden. Damit soll der Entwicklung entgegengewirkt werden, dass ältere oder hilfebedürftige Menschen Birkenwerder verlassen müssen, weil sie keine passende Wohnung finden. Laut einem Antrag der SPD-Fraktion sollte das Plangebiet noch erheblich erweitert und von der Hauptstraße, dem Rathaussteig und der Briese begrenzt werden. Die Gemeindevertretung konnte sich jedoch nicht zu einem Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan 39 „Alter Krugsteig“ durchringen. Der Bürgermeister zog seinen Antrag zurück. Das Thema soll erneut in den Ausschüssen beraten werden.

Ehrenkodex
Der erst im August einstimmig gefasste Beschluss zum Ehrenkodex, der ein Zeichen gegen Korruption setzen soll, ist wieder aufgehoben worden. Die Verwaltung hatte nach einer Prüfung durch die Kommunalaufsicht festgestellt, dass die getroffene Formulierung, wonach alle Gemeindevertreter und sachkundige Einwohner zur Einhaltung des Ehrenkodex verpflichtet werden, missverständlich ist. Am Dienstag hat man sich nun mehrheitlich darauf geeinigt, dass das Unterschreiben als eine freiwillige Verpflichtung verstanden werden soll. Das bedeutet, die Gemeindevertretung Birkenwerder empfiehlt ihren Mitgliedern, den Ehrenkodex durch Unterzeichnung der Erklärung freiwillig anzuerkennen. Der bereits gebildete Ehrenrat bleibt davon unberührt.

Kinderbetreuung
Die Gemeindevertretung hat grünes Licht für die technische Gebäudeausrüstung der neuen Kita in der Geschwister-Scholl-Straße gegeben. Den Auftrag in Höhe von 177.538,02 Euro brutto erhält das Planungsbüro Sass Ingenieure GmbH aus Birkenwerder. Dazu gehören Heizung, Lüftung, Klima, Sanitär und Elektro. In dem Neubau sollen 100 Kinder (50 in der Krippe, 50 im Kindergarten) untergebracht werden.
Mit dem Kita-Neubau in der Geschwister-Scholl-Straße soll der steigende Bedarf künftig gedeckt werden. Weil die Plätze jedoch noch vor der Fertigstellung voraussichtlich nicht ausreichen werden, soll die Zeit bis zur Eröffnung durch das Aufstellen von Containern auf dem Gelände des Kinder- und Jugendfreizeithaus CORN überbrückt werden. Auch dazu hat die Gemeindevertretung am Dienstag einen Beschluss über Planungsleistungen gefasst. 180 000 Euro brutto kostet die Lieferung, das Aufstellen und Mieten der Containeranlage für zwei Jahre.

Grünordnungsplan
Im Zuge des Realisierungswettbewerbs für die Erweiterung von Schule und Hort wird der Grünordnungsplan „Ortsinneres Briesetal“ geändert. Gleichzeitig verpflichtet sich die Gemeinde, eine adäquate Kompensation der Grün- und Waldflächen innerhalb der Gemarkung zu schaffen.

Öffentliche Toilette
Am Bahnhof Birkenwerder soll es bald eine öffentliche Toilette geben. Die Gemeindevertretung hat die Verwaltung mit der Standortsuche und Kostenkalkulation beauftragt. Die Toilette soll sich entweder im Bahnhofsgebäude oder in der unmittelbaren Nähe befinden. Daniela Oeynhausen (AfD) sprach sich dagegen eher für das Konzept „Nette Toilette“ aus, bei dem Gastronomen ihre Toiletten der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.

Niederbarnimer Fließlandschaft
Die Gemeinde Birkenwerder ist schon lange Mitglied im Arbeitskreis „Niederbarnimer Fließlandschaft“. Die Gemeindevertretung hat nun beschlossen, dass zusätzlich zwei Mitglieder der Gemeindevertretung mitwirken sollen. Susanne Kohl (SPD) und Peter Kleffmann (IOB-BiF) meldeten Interesse an. Nach einstimmigem Beschluss werden beide in den Arbeitskreis aufgenommen. Zur Zeit wird gemeinsam von Mitgliedern aus den Gemeinden Birkenwerder, Mühlenbecker Land und Glienicke/Nordbahn sowie den Berliner Stadtbezirken Pankow und Reinickendorf an einem interkommunalen Verkehrskonzept gearbeitet.  

Schwalben am Grenzweg
Der Lebensraum der Schwalben, die im Bereich Grenzweg / Schwalbenring nisten, soll geschützt werden. Dazu ist es aus Sicht des Umweltbeirates erforderlich, unversiegelte Flächen zu erhalten. Die Fraktion erreichte durch einen Änderungsantrag von Peter Ohme (Pro Birke), dass es spezielle Nistplätze für Schwalben in diesem Areal geben soll.

Wanderweg
Mehrheitlich hat die Gemeindevertretung einer Vergabe für Planungsleistungen zur Sanierung des Wanderweges am Paradiesgarten zugestimmt. Dazu wird der Bohlensteg erneuert. Das Thema wurde kurzfristig als Tischvorlage eingereicht. Bürgermeister Stephan Zimniok begründete die Dringlichkeit mit der Bindungsfrist.


380-kV-Höchstspannungsleitung
Bürgermeister Stephan Zimniok informierte darüber, dass die Gemeinde weiterhin den Klageweg für wahrscheinlich hält. Am 30. August erteilte das Brandenburger Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe den Planfeststellungsbeschluss für die Höchstspannungsleitung. Vom 4. bis zum 18.11.2019 gibt es eine öffentliche Auslegung im Rathaus.

Text/Foto: ww

Bildunterschrift: Im Ratssaal der Gemeinde Birkenwerder wurde am Dienstag, 17. September 2019, über viele Themen diskutiert und abgestimmt. Justiziarin Susan Gehring und Bauamtsleiter Jens Kruse geben Antworten aus Sicht der Verwaltung.