Clara Zetkin als Vorbild: Wie kommen mehr Frauen in die Politik?

Was braucht es, damit mehr Frauen in die Politik mitmischen? Welche Rolle spielen dabei Gesetze und Quoten? Wie können Netzwerke helfen? Über diese – trotz aller Fortschritte – immer noch aktuellen Fragen diskutierten am 27. Juni die Bundestagsabgeordnete Ariane Fäscher (SPD), die Gleichstellungsbeauftragte des Landes Brandenburg, Manuela Dörnenburg, und Lisi Maier, Direktorin der Bundesstiftung Gleichstellung bei einem Besuch in der Clara-Zetkin-Gedenkstätte in der Summter Straße in Birkenwerder.

Dabei warfen die drei auch Blicke zurück auf die Ideen der Politikerin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin (1857–1933), in deren Wohnhaus in Birkenwerder die Bundesstiftung Gleichstellung mit ihrer deutschlandweiten Tour zu gleichstellungspolitischen Themen zu Gast war.

Empfangen wurden die Gäste von der ehemaligen Hausherrin höchstpersönlich, verkörpert durch die Politikwissenschaftlerin und Publizistin Claudia von Gélieu. In einer langen roten Robe berichtete sie von der politischen Arbeit Clara Zetkins und ihrer Entscheidung, mit über 70 Jahren von Süddeutschland nach Birkenwerder zu ziehen, um ihr Reichstagsmandat in Berlin einfacher ausüben zu können. Von Gélieu sprach über feministische Errungenschaften wie das 1918 eingeführte Frauenwahlrecht, aber auch über Rückschläge – beispielsweise, dass am Ende des Ersten Weltkrieges Frauen ihre Arbeitsplätze für aus dem Krieg heimkehrende Männer räumen sollten.

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Besonders bewegt habe Clara Zetkin die aufkeimende faschistische Bewegung, die vieles rückgängig machen wollte, was in Sachen Geschlechtergerechtigkeit erreicht worden war. An diesem Punkt schlagen von Gélieu und auch die drei Podiumsteilnehmerinnen den Bogen in die Gegenwart. Auch heute gäbe es im rechten politischen Spektrum wieder systematische Bestrebungen, Frauen zurück an den Herd zu befördern, sagte Ariane Fäscher.

Die Diskussionsrunde zielte auf das Gegenteil ab. Zur Debatte stand, wie Frauen in Politik und Öffentlichkeit mehr Gehör finden können. Denn immer noch sind sie in deutschen Parlamenten unterrepräsentiert. Birkenwerder hob Manuela Dörnenburg dabei als Ausnahme hervor. Denn in der örtlichen Gemeindevertretung ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen nahezu ausgeglichen. „Wir haben als Kommune so gewählt“, sagte Bürgermeister Stephan Zimniok, der an dem Abend im Publikum saß. Voraussetzung dafür sei, dass sich Frauen aufstellen ließen, ergänzte er.

Über diesen Knackpunkt diskutierten die Podiumsteilnehmerinnen ausführlich und identifizierten verschiedene Faktoren, die Frauen davon abhalten, sich politisch zu engagierten. Ariane Fäscher sprach über männliche Dominanzstrukturen, die schon in der Kindheit erlernt würden und schwer zu durchbrechen seien. „Ich habe als Kind gelernt, dass mir der Platz in der Gesellschaft zugewiesen wird – und dass er mir von Männern zugewiesen wird“, sagte sie. Das müsse sich ändern.

Ein Ansatz, um die Repräsentation von Frauen zu stärken, seien gesetzliche Regelungen wie beispielsweise Frauenquoten. Fäscher berichtete von ihrem Einsatz für Paritätsregelungen im Zuge der aktuellen Wahlrechtsreform, auf die jedoch aus verfassungsrechtlichen Bedenken verzichtet wurde. „Wir als Gleichstellungspolitikerinnen sind gar nicht zufrieden“, sagte sie.

Auch Paritätsregelungen aber seien nur ein Schritt. Denn selbst wenn sich Frauen für politische Mandate bewerben: Männer hätten nach wie vor die besseren Chancen, gewählt zu werden. „Wir müssen uns überlegen: Warum wird Männern immer noch mehr Kompetenz zugeschrieben“, sagte die Bundestagsabgeordnete, die auch Mitglied des Stiftungsrates der Bundesstiftung Gleichstellung ist.

Andere Hürden finden sich auf organisatorischer Ebene. Für Menschen mit Kindern sei es beispielsweise eine Herausforderung, dass Gemeindevertretersitzungen meistens zur Abendbrotszeit anfangen. Das müsse nicht sein, sagte Ariane Fäscher. Veränderte Anfangszeiten, Kinderbetreuung für Abgeordnete oder Redezeitbegrenzungen seien Stellschrauben, über die sich einiges erreichen lasse.

Lisi Maier, die den Abend moderierte, sprach ein weiteres Problem an: Gewalt und Angriffe auf Frauen – beispielsweise auf Social-Media-Kanälen. Oft mangele es in solchen Situationen an Solidarität, kritisierte Ariane Fäscher. „Wenn eine Frau angegriffen wird, ducken sich andere Frauen und auch Männer weg.“ Manuela Dörnenburg empfahl, über solche Vorfälle zu sprechen und sie zur Anzeige zu bringen, damit sie sanktioniert werden können. Ariane Fäscher riet dazu, sexistisches Gehabe und Grenzüberschreitungen auch in öffentlichen und privaten Kontexten nicht zu dulden, sondern offen zu kritisieren.

Auch der Zusammenhang von gleichstellungspolitischen Fragen zu anderen gesellschaftlichen und politischen Fragen wurde diskutiert. Manuela Dörnenburg etwa sprach am Ende des Abends den Wunsch aus, dass Geschlechtergerechtigkeit, soziale Fragen und der in vielen Region Deutschland – etwa der Lausitz – anstehende Strukturwandel gemeinsam gedacht und umgesetzt werden.

Text: id / Fotos: Bundesstiftung Gleichstellung/Steffi Rose

Bildunterschriften:

Bild 1: Politikwissenschaftlerin und Publizistin Claudia von Gélieu als Clara Zetkin im Garten der Clara Zetkin Gedenkstätte

Bild 2: Bürgermeister Stephan Zimniok in einer Diskussion zum Thema: Welche Hürden Frauen daran hindern in die Politik zu gehen

Bild 3: Lisi Maier, Direktorin der Bundesstiftung Gleichstellung, die Bundestagsabgeordneten Ariane Fäscher und die Gleichstellungsbeauftragte des Landes Brandenburg, Manuela Dörnenburg

Bild 4: Alle Teilnehmer der Veranstaltung der Bundesstiftung Gleichstellung zum Thema: Wie kommen mehr Frauen in der Politik