Sicher, komfortabel, umweltschonend und barrierefrei: So soll die Mobilität in Birkenwerder künftig für alle Verkehrsteilnehmer sein. Doch unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen, ist nicht leicht. Im Zuge der Erarbeitung des Mobilitätskonzeptes fand am Donnerstag die dritte Bürgerwerkstatt statt.
Neben dem interkommunalen Verkehrskonzept der vier S-Bahn-Gemeinden lässt die Gemeinde Birkenwerder ein Mobilitätskonzept durch das Ingenieurbüro Spiekermann GmbH erstellen. Dieses konzentriert sich ausschließlich auf den Ort Birkenwerder und seine Verkehrswege, zeigt aber Synergieeffekte zum interkommunalen Konzept, das teils parallel entstand. Gestartet ist das Projekt bereits im Jahr 2020. Politik und Verwaltung waren in den Prozess mit einbezogen.
Einer der Gründe, warum sich die Erstellung über mehrere Jahre hinzieht, ist auch die vielfältige Möglichkeit der Bürgerbeteiligung, vom Schulkind bis zum Senior. Verschiedene Konzepte der Beteiligung wurden bereits umgesetzt, darunter ein Bürgerspaziergang, Radtouren, Projekte an Schulen, unterstützt durch den ADFC Birkenwerder und Bürgerwerkstätten. Die dritte Bürgerwerkstatt fand am 28. September 2023 im Ratssaal der Gemeinde statt. Vertreten waren Bürgermeister Stephan Zimniok, Bauamtsleiter Jens Kruse, Dandy Schliefke sowie Inga Deibel und Roman Parzonka vom Ingenieurbüro Spiekermann.
Die Ingenieure stellten den aktuellen Entwurf des Konzeptes vor, das in verschiedene Themenschwerpunkte unterteilt ist und die Bereiche Fuß- und Radverkehr, Öffentlicher Personennachverkehr und motorisierter Verkehr betrachtet. Barrierefreiheit, Nahmobilität und die Schulwegeplanung sind dabei von besonderer Bedeutung. In der Bestandsanalyse wurde festgestellt, dass die Infrastruktur teilweise noch unzureichend ist und es immer wieder zu Konflikten unterschiedlicher Verkehrsteilnehmer kommt, wie klassischerweise zwischen Auto- und Radfahrern. So gebe es zum Teil schadhafte oder fehlende Fuß- und Radwege oder unsichere Knotenpunkte.
Roman Parzonka betonte, dass es zwar eines der erklärten Ziele des Konzeptes sei, den motorisierten Verkehr zu reduzieren und den Fuß- und Radverkehr, also die Nahmobilität, zu stärken. Doch es solle niemand dazu gedrängt werden, aufs Fahrrad umzusteigen. Er zitiert eine Untersuchung, die gezeigt habe, dass etwa 50 Prozent der Bevölkerung bundesweit nie oder fast nie Fahrrad fährt. Ein Drittel von ihnen sei jedoch grundsätzlich dazu bereit, wenn spezielle Voraussetzungen geschaffen werden würden, die das Fahren sicherer und praktikabler macht.
Ein Problem aus der Praxis, das etliche Straßen in Birkenwerder betrifft, ist das Kopfsteinpflaster. Dieses ist praktisch durch Radfahrer nicht befahrbar aufgrund der Sturzgefahr. Hier schlagen die Ingenieure verschiedene Varianten vor, die keine komplette Asphaltierung erforderlich machen, sondern einen glatten Radweg ins Kopfsteinpflaster integrieren.
Teil des Konzeptes ist auch die Erarbeitung des Schulwegplanes. Dieser soll Kinder und Eltern bei der Wahl des Schulweges zur Pestalozzi-Grundschule und zur Regine-Hildebrandt-Schule unterstützen. Stellen, die sich aufgrund von Ampeln oder Querungshilfen zum Überqueren von Straßen eignen, sind besonders gekennzeichnet. „Die Dringlichkeit der Umsetzung dieses Konzeptes wird durch Berichte von Schülern deutlich, insbesondere in Bereichen wie Birkenwerder-Nord“, erklärte ADFC-Sprecher Andreas Blaschke.
Ein Thema der Runde, die auch Diskussionspotenzial aufzeigte, war der ÖPNV. Zum Bus 822 erklärte Bürgermeister Stephan Zimniok, dass die zweijährige Evaluationsphase Ende 2023 ausläuft und die Fahrgastzahlen nicht ausreichen, um diese in den regulären Betrieb zu überführen. Aufgrund der großen Betroffenheit vieler Menschen, die den Bus regelmäßig nutzen, auch Schüler und Senioren, empfiehlt er jedem, sich an den Landkreis beziehungsweise die Kreistagsabgeordneten zu wenden, von denen auch eine an der Bürgerwerkstatt teilnahm: Susanne Kohl (SPD). Der Kreistag, der das nächste Mal am 18. Oktober tagt, könne darüber entscheiden, ob die Buslinie auch ohne Erreichen der Mindestfahrgastzahlen eine Chance bekommt, doch noch in den Nahverkehrsplan des Landkreises aufgenommen zu werden.
Gute Nachrichten gibt es zum lange geforderten neuen Regionalbahnsteig in Birkenwerder. Stephan Zimniok hat die Information, dass dieser bis 2031 entstanden sein soll. Auch bezüglich der Flächen am Bahnhof ist die Gemeinde schon seit mehr als acht Jahren im Gespräch mit der DB, damit diese langfristig entwickelt werden können. Die Gemeinde würde diese Flächen ankaufen, habe aber, so Jens Kruse, auch nicht dagegen, wenn die Bahn sie selbst entwickelt. Möglich wäre hier eine Park-and-Ride-Anlage oder auch ein Supermarkt. Doch die Bahn tue sich diesbezüglich schwer, eine endgültige Entscheidung zu treffen.
Innerorts war unter anderem die Elternhaltestelle vor der Pestalozzi-Grundschule ein Thema der Bürgerwerkstatt. Die Ingenieure schlagen vor, diese zu verlegen. Sabine Grunert gab zu bedenken, dass auch bei einer weiter entfernten Haltestelle sichergestellt werden müsse, dass die Kinder problemlos die Straße überqueren können, da die Verlegung sonst zwecklos wäre.
Als eine Möglichkeit der Verkehrssteuerung sieht das Konzept eine räumliche und zeitliche Ausdehnung der bereits vorhandenen Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde auf den Ortsdurchfahrten B96 und B96a vor – zumindest abschnittsweise, zum Beispiel auf der Bahnhofsbrücke und den umliegenden Kreuzungsbereichen. Ein Grund dafür ist die eingeschränkte Sicht durch den Brückenbogen.
Über viele der im Konzeptentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen kann die Gemeinde nicht eigenständig per Beschluss der Gemeindevertretung entscheiden. Die Umsetzung wird also wiederum ein längerer Prozess, bei dem das Mobilitätskonzept als Handlungsgrundlage dient.
Text/Foto: ww
Bild 1: Birkenwerders Bürgermeister Stephan Zimniok begrüßt die Gäste der dritten Bürgerwerkstatt zum Mobilitätskonzept.
Bild 2: Andreas Blaschke, Sprecher des ADFC Birkenwerder, hat auch eine Rede vorbereitet. Er hat den Schulwegplan im Fokus.
Bild 3: Bürgermeister Stephan Zimniok, Stadtplaner Dandy Schliefke, Roman Parzonka und Inga Deibel vom Ingenieurbüro Spiekermann sowie Bauamtsleiter Jens Kruse (v.l.).